Der wirkliche Leser lässt sich nur schwer etwas vormachen. Und doch... Wenn er das Buch auf der soeben erst angelesenen Seite zuklappt und auf den Tisch zurücklegt, sei es, um in Kinderzimmer oder Kühlschrank nach dem rechten zu sehen, sei es, um dem sprachlos vor Eifersucht flackernden Fernsehgerät endlich Gelegenheit zu geben, auch das allzulange geschonte Gehör zu malträtieren, so stürzt im Nachlassen seines Fingerdrucks eine Welt zusammen.

Welche Welt? Dumme Frage – die erlesene.

Bedauerlich nur, notieren zu müssen, wie rasch sie zergeht. Ein Kartenhaus wirkt dagegen solide und atmet den Geist der Beständigkeit. Aber keine Sorge. Nichts, gar nichts ähnelt auch nur entfernt dem Wiederaufnehmen des Buches: dem vorsichtigen Lösen der Blätter, dem Abheben des Lesezeichens (Stellvertreter aller überlebten Kultur), dem Ertasten des Buchrückens, dem Erkunden seiner Elastizität, dem Näherrücken der Schrift, dem Gleiten der Buchstabenreihen, die schon begonnen haben, sich aufzulösen und zu zerfließen vor – nun ja, vor dem inneren Auge; denn weder das unaufhörliche Sich-Heben und -Senken und -Neigen des Kopfes noch die zupfende Bewegung der Finger, weder das wirre Hin und Her der Augäpfel noch die Schlüpf- und Schlingerdynamik des auf dem Sessel festgebannten Gesäßes lassen, für sich genommen, den Eindruck dessen aufkommen, was man Lektüre nennt.

Das innere Auge.

Den wirklichen Leser treibt ein schrecklicher Durst: Er will es wissen. Eher ungeklärt bleibt die Frage, was er so heftig zu wissen begehrt, es sei denn, es handelt sich um so einfache Auskünfte wie die, dass der Gipfel, »Uhuru Peak« in der gemischten Sprache des Landes, tatsächlich »Freiheitsspitze« heißen müsste, wenn sich die Verwendung eines solchen Unwortes nicht von selbst verböte. Andererseits – denn als Mensch neigt der Leser zur Neugier in menschlichen Dingen – wünscht er mehr zu wissen, viel mehr, wenn nicht sogar alles. Gegenüber diesem Drang erweist sich die Erzählung in manchen Fällen als hilfreich. Wo nicht, beschert sie ihm vielleicht sein Damaskus – was nicht das schlechteste wäre –: »Wo denkst du hin? Um Gottes willen: Kehr um!«

Nichts liegt ihm ferner. Aber gehorsam, vorsichtig dreht er den Kopf und blickt sinnend über die linke Schulter zurück.