Die Grenzen der Politik zu ziehen ist langweilig.
Jeder weiß: Politik ist nützlich, Politik ist notwendig. Wo steckt die Not?
Jeder weiß: Grenzenlose Politik bedeutet grenzenloses Unglück.
Politik muss auf das notwendige Maß beschränkt werden.
Das gilt für den Einzelnen wie im Ganzen.
Im Herzen Politik – Unglücks-Formel aller, für die gilt: Genug ist nicht genug.
Nun aber Butter bei die Fische.
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Wenn Politik endemisch wird, dann zeigt sich die analytische Korrektheit der Schmitt-Floskel und die Welt beobachtet staunend, wie alle Verhältnisse sich in Freund-Feind-Verhältnisse verwandeln. Alle? Nein, nicht alle. Niemand könnte so leben. Es bilden sich, ohne dass jemand vorhersagen könnte, wie und wo – und warum –, Inseln des Lebenlassens, gerade groß genug, um Überleben möglich zu machen, aber zu winzig, um das Herz zu befriedigen. Das Herz, es leidet. Das ist keine Metapher: Die Herzleiden nehmen irgendwann schlagartig zu und die Krankenhäuser haben Konjunktur. Dann verwandelt sich Ursachenforschung in die Jagd nach dem Sündenbock, in der das Politische ins Ideologische abrutscht, ohne aufzuhören politisch zu sein und nur eines zu wollen: die Macht.
Wenn Ideologie nach der Macht greift, dann kommt eine Zeit, in der die Vögel tot von den Ästen fallen, die Zeit der Prophezeiungen und der unsauberen Schuldzuweisungen an Jedermann. Ganz recht, an Jedermann. Denn diese Figur erhält jetzt den Auftrieb, den sie in ihrem Leben immer vermisste: Jedermann wird bedeutend. Nebenbei: Es bedeutet nicht viel, bedeutend zu sein in solcher Zeit. Es bedeutet, ein Schicksal diktiert zu bekommen, gegen das sich jede lebendige Faser im Einzelnen sträubt, aber im Modus der Sucht: Ich muss mich hassen, denn ich kann es nicht lassen. Der Pranger für Jedermann ist jedermanns Ort – er kann den Blick nicht davon lösen. Das aber heißt: Er steht schon dort, in jedermanns Gestalt, denn Jedermann ist nichts weiter als das anonymisierte Selbst des Einzelnen in der Vereinzelung.
So weit also treibt es Politik ohne Grenzen.
Nun, merkt der eine oder andere an, wozu gibt es Politiker? Ganz recht: Wozu? Überall dort, wo sie den stetigen Kontakt mit dem Wahlbürger auflösen, aus eigenem Vorsatz oder durch Mächte gezwungen, die ihre übersteigen, verschlägt es sie in den Jedermannszirkel. Die verlorene Privatheit holt sie wieder und wieder ein und münzt sie um in Ikonen des Unglücks. Sie können das nicht verstehen (wie auch?) und wehren sich vehement, traurigerweise mit den Mitteln und gehorsam den Maßstäben einer Welt, deren Untergang in ihrem Handeln beschlossen liegt und nach deren Bestandsresten sie, nicht anders als Jedermann, greifen, als handle es sich um die letzten verbliebenen Strohhalme des Ich. Dabei haben ihre Agenten längst auch den letzten Strohhalm aus dem Verkehr gezogen.
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Nein, nicht die Politik will den Untergang (sie will, so gesehen, gar nichts). Du selbst willst ihn, um dich daran zu berauschen. Er lässt dich Worte gebrauchen, von denen du nicht wusstest, dass sie in dir steckten. Worte, Worte! Schon üben sie Gewalt über dich und verfrachten dich in eine Vorstellungswelt, von der du lauthals behauptest, sie sei – spuck’s aus! – die des Feindes. Betrachte die vielen Käfige um dich herum! In jedem sitzt ein Mensch, nein, er steht und geht, er klebt an den Gittern, er gestikuliert. Frage nicht, wer ihn in diese missliche Lage gebracht hat. Frage nicht, was sie mit ihm vorhaben. Frage nicht, wer sie sind, denn, Hand aufs Herz, du weißt es längst und jeden Tag drängen neue Spieler aufs Feld. Dein Gedächtnis, geräumig wie eh und je, bietet nicht Raum für all die Namen, die nichts bedeuten außer der Macht und der Kraft und der Herrlichkeit, in der ein weiterer Jedermann tickt. Und selbst wenn es ihn böte: diese Verschwendung verzeiht das werte Selbst nie.
Der Untergang ist das Spiel mit dem Feuer und die Asche, die bleibt.
Der Untergang ist das mythische Analogon, das dich ständig begleitet.
Der Untergang ist der Käfig, den du mit niemandem teilst.
Bedenke: Der Untergang macht ein Monstrum aus dir.
Ziehe die Grenzen deiner Welt so, dass der Untergang eine Episode ist und ein Vermächtnis.