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—Und Sie sind tot, fragte mich eine männliche Stimme. Irgendjemand griff mir an dem Hals, als baumle dort ein Amulett oder ein Abzeichen, das ich nur ungern abnehmen würde. Ist das wahr? Bin auch ich bereits hinübergewechselt auf das Schiff, das immerfort ablegt, ohne fortzukommen? Unter diesem selbsterklärenden Bild stelle ich mir den Yagir gelegentlich vor, jedenfalls steht am Bug in goldgelben, leicht verrotteten Lettern die Buchstabenfolge YAGIR, das wäre doch ein Zeichen und das dazugehörige Schiff wird also wohl existieren. Übrigens scheint es mehr ein Kahn zu sein denn ein Passagierschiff, seine Schwärze strahlt keinerlei Luxus aus, im Gegensatz zu dem Yagir, den alle zu kennen glauben, aber das hängt vielleicht mit seinem Verhältnis zur Zeit zusammen.
DIE ZUKUNFT DES YAGIR IST WEIBLICH
Solche Sprüche tragen die kleinen Mädchen auf ihren T-Shirts und ihre Mütter nicken andächtig dazu. Schließlich haben sie das Shirt ausgiebig vor der Wahl befühlt, um zu entscheiden, ob es der Kleinen auch wohltut und haltbar genug wirkt, um sie in die nächsthöhere Altersklasse zu begleiten. Stoff & Parole, die unzertrennlichen, müssen stimmen, bevor ein Bewohner des Yagir sich etwas überstreift. Mein Motto zum Beispiel, das non dubitare – KEIN ZWEIFEL in der Sprache des Yagir – trage ich nicht auf der Brust, geschweige denn auf einem anderen Körperteil. Ich trage sie, soviel Bildersprache muss sein, tief in der Brust, ungefähr dort, wo die Bedenken ihr verzweifeltes Spiel miteinander spielen, und hole es nur heraus, um den Ring zu sprengen, wenn er sich einmal zu schließen droht. Man soll den Helfer Skepsis nicht zum Herrn im Haus werden lassen. Im Yagir jedoch bezeugt KEIN ZWEIFEL die Zugehörigkeit zu einer Partei und Hass, unbewussten oder bewussten, auf die Partei der Anderen, dient also der Unterdrückung von Auffassungen, wie andere sie pflegen, bei einem selbst. Schlagt ihn tot! Das Weltgericht / Fragt euch nach den Gründen nicht dichtete einst der Preuße Heinrich von Kleist. Die Vorstellung, dem Weltgericht der anderen würde es dereinst belieben, sein teures Preußen totzuschlagen und bis zur völligen Auslöschung zu zerstückeln, wäre geistig und emotional über sein Vermögen gegangen. Falls es dem Yagir einmal genauso ergehen sollte, dann wäre ich bei den ersten, seine Reste einzusammeln und zu verbrennen. Doch so weit wird es nicht kommen. Man verteilt das Fell des Bären nicht, bevor er erlegt ist. Bin ich Yagirit? Bin ich kein Yagirit? Ich weiß es nicht. Ich wäre mir auch nicht sicher, ob die Yagiriten mich mit Haut und Haar akzeptierten, würde ich mich unverhohlen als einer der ihren präsentieren. Ich finde Gründe, daran zu zweifeln. Ich fände sie zur Linken wie zur Rechten, um von den restlichen Himmelsrichtungen zu schweigen, doch so weit will ich mich gar nicht bücken. Meine Gründe betreffen samt und sonders die Person.