Es sind die abhängig Denkenden, die Schwierigkeiten bereiten. Mit einem, der selbständig zu denken gewöhnt ist, verständigt man sich rasch auf das Wesentliche: die Basis, auf der eine Differenz, so sie denn vorhanden ist, ausgetragen zu werden verdient. Es liegt nicht allein an der Fähigkeit, auf den anderen, das heißt, auf das Argument einzugehen, der abhängig Denkende darf es nicht, da ein Rattenschwanz von Autoritäten mit herumgedreht werden müsste, und diese Tätigkeit traut er sich einfach nicht zu, dazu ist er ein zu kleines Licht. Was wären auch Autoritäten, wenn man sie nach Belieben beiseiteschieben dürfte? Es verblüfft, wenn Professoren diese Sorte von Autorität auf Journalisten oder drittklassige Politiker ausdehnen, die ihnen in Talkshows auf dem öffentlich-rechtlichen Tablett serviert werden, selbst wenn es sich um Fragen handelt, die, wie die nach der Gefährlichkeit eines aus der Reihe gefallenen Coronavirus, auf dem Feld der Wissenschaft ausgetragen werden müssen – gerade dort, sollte man erläuternd hinzufügen, da sich angesichts von Wissenschaftlern, auch denen anderer Fächer, immer ein wenig Zweifelssinn regt, schließlich weiß man zumindest dies: wie Wissenschaft funktioniert. Natürlich weiß man auch, wie Journalismus und Politik funktionieren. Aber in ihrem Fall befindet man sich auf fremdem Terrain und überlässt Menschen das Sagen, die nun einmal das Sagen haben. So entsteht ›in den Köpfen‹ das, was sich selbst als ›Mainstream‹ begreift und als solcher sogar von Leuten respektiert wird, die sich von ihm abzugrenzen versuchen. Übermäßiger Respekt ist das Grundübel der gebildeten Gesellschaft, das sie der halbgebildeten, also der Masse der Meinungsmacher und ‑verwerter gegenüber, in Verzug bringt – wenn sie endlich gesichert weiß, was von der Sache zu halten ist, ist der Zug durchgerauscht und die Gesellschaft anderweitig unterwegs: So beginnt der fatale Zyklus von neuem. Deshalb sollte man mit seinen Freunden, soweit sie in diese Kategorie gehören, am besten über die gesellschaftlichen Konflikte von gestern reden – jedenfalls dann, wenn man einer ernsten Verstimmung aus dem Weg gehen möchte. Auch aus dem besten Freund lässt sich kein selbständiger Denker hervorkitzeln, sofern er es nicht von Hause aus ist. In den großen gesellschaftlichen Kampagnen kommen so die 90-Prozent-Mehrheiten unter ›Forschern‹ für bestimmte von der Politik oder den Medien forcierte Lehrmeinungen zustande: Sie haben nichts zu bedeuten, aber sie erleichtern die Orientierung der Unentschlossenen ungemein. Um das Beispiel Klimaforschung nicht auszulassen: Wer unter denen, die ›Bescheid wissen‹, kennt die globalen Messreihen der letzten Jahrzehnte wirklich und weiß sie zu gewichten? Wer kennt die Modelle, die sich ihrer annehmen, im Prinzip und im Detail? Darum geht’s nicht. Worum es geht, darüber entscheidet das Gefühl, ganz bei den anderen zu sein – der eine braucht ein bisschen mehr, der andere möglichst wenig Abstand zum Pulk, das gibt schon die Gewissheit, über ein eigenes Urteil zu verfügen.

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