›Gender‹, über die Länge der Zeit betrachtet, die das Wort nun im Einsatz ist, hat sich als Nähkästchen erwiesen, aus dem geplaudert werden darf. Das Arsenal der immer gleichen Einsichten bezieht seine Wirkung aus der Länge der abzuwickelnden Fäden, die Sachfremden rasch endlos erscheinen, was nicht der Fall ist – reißt der Faden oder kommt er an sein gegebenes Ende, dann geschieht das übergangslos, wissenschaftstechnisch gesprochen: ohne Forschungsperspektive. Wer nicht rasch den nächsten Faden zur Hand hat, der hat plötzlich nichts mehr zu sagen. Das wissen die Akteur*innen aus langer Erfahrung und haben ein wenig zaubern gelernt, so dass nicht immer leicht zu erkennen ist, wo der alte Faden endet und der nächste eingelegt wurde.
Genderstudium ist safer space, da wäre es schade, wenn es irgendwann an ein Ende käme. Es ist auch nicht wahr, dass in diesem Raum nichts gelernt würde. Wer immer ihn betritt, trägt zum Lernprozess bei, denn er kommt von draußen und bringt Erfahrungen mit, die verarbeitet werden wollen. An solchen Fällen zeigt sich, dass der Unterschied zwischen Forschung und Schulung schon einmal peripher werden kann. Das Immergleiche besitzt seine eigene Offenheit, mit der nicht jeder in gleicher Weise zurechtkommt. Kein Wunder also, dass irgendwann das Gift zwischen den verschiedenen Grüppchen das Sagen bekommt: Wenn sie sich öffentlich fetzen, dann freuen sich die Medien über den Zuspruch. Vielleicht wird man auch einmal den ganzen Fächerkram abschaffen und Abschlüsse in Rechthaben einführen. Das, immerhin, brächte die Sache auf den Punkt.
›Geschlechterrollen‹ ändern sich oder sie ändern sich nicht; sie passen sich Zeit, Ort, Rechts‑ und Beschäftigungslagen an, nicht zu vergessen der Not, die bekanntlich erfinderisch macht. Bedarf es dazu begleitender Bewusstseinsmaschinen? Es ist ja nicht so, dass ein Geschlecht generell Dolmetscher bräuchte, um mitzubekommen, was ›drüben‹ geschieht. Das meiste geschieht ohnehin zwischen den Geschlechtern. Mit dem Verstehen ist das eine andere Sache. Hier gilt der Satz: Der institutionalisierte Kampf gegen den berufstätigen heterosexuellen Mann im Ornat der theoretischen Attribute, die ihm im Lauf der Jahrzehnte angehängt wurden, hat die Ausgangslage eher zum Schlechteren hin verschoben. Rüde ausgedrückt: Die einen machen zu und die anderen machen sich ins Hemd. Eine solche Aussage findet naturgemäß kaum Freunde, da sie alle Seiten kränkt. Doch wer im Ernst bestreiten möchte, dass hier eine Kränkungsgeschichte vorliegt, der verfolgt bereits Interessen. Vielleicht auch nicht: Nirgendwo wird so viel gelogen wie zwischen den Geschlechtern. Vermutlich liegt das daran, dass die Erfolgskontrolle noch immer in den Betten passiert und insofern den gierigen Blicken der Öffentlichkeit wenigstens ein Stück weit entzogen ist.
Wie immer in solchen Fällen, bleibt der Blick auf die Kriegsgewinnler. Was sind das für Mitmenschen? Bei Leuten, die lange darüber nachgedacht haben, stößt man auf ein erstaunliches Schweigepotenzial. Die Fälle, die sie am Ende – stockend, mit leiser Stimme – erzählen, scheinen direkt einem psychologischen Handbuch entnommen: Das hört sich, auf die Begleiterscheinungen des Erfolgs hin abgeklopft, in der Mehrzahl der Fälle nicht gut an. Es gibt auch zufriedene Existenzen – aus der Nähe betrachtet, scheinen es die zu sein, die nicht zu viel mitbekommen haben oder einfach dieses unverschämte Vorrecht genießen, das da heißt: Was scheren mich – uns – die anderen? ›Gender‹, kein Zweifel, bedeutet Kontrolle – Kontrolle des Einzelnen, Kontrolle des gesellschaftlichen Lebens in einem Ausmaß, in dem ein durchschnittlicher Mitteleuropäer dergleichen als abgetan empfinden durfte, während die Falle bereits ausgelegt wurde.