Vergessen wir nicht: Dies ist, rein statistisch gesprochen, eine Krankheit der Alten. Ihnen wird sie, nach Maßgabe ihrer Gebrechlichkeit, gefährlich. Paradoxerweise liegt der Grad der Gefährlichkeit, über alle Altersgruppen hinweg, innerhalb dessen, was die Fachleute ›statistisches Rauschen‹ nennen und der Romancier Robert Musil einst mit der Formel ›Seinesgleichen geschieht‹ umschrieb: Im Prinzip kann jeder so gut daran sterben wie an etwas anderem. Zweifellos gehört es zu den Grundeigenschaften des Menschen, dass er lebt, so wie es zu den Grundeigenschaften des Lebens gehört, dass es gefährlich ist und irgendwann erlischt. An etwas sterben wir alle, ob früher oder später. Daran hat alle hochgezüchtete Medizin ebenso wenig geändert wie der entschiedene Wille der Utopisten, das Dasein gerade in diesem Hauptpunkt zu reparieren. Es handelt sich also, kulturell gesehen, um einen Totentanz, den (unter der Regie der WHO sowie der meisten nationalen Regierungen und einiger Unternehmen, die bisher eher selten der Unterhaltungsbranche zugerechnet wurden) die Gesellschaft hier zur Aufführung bringt. Unter den Bedingungen der totalen Kommunikation bedarf es dazu keiner Bühnen- und keiner Freskenkunst mehr. Alle spielen, jeder auf seine Weise, in diesem Spiel mit und jeder spielt seinen Part, so dass zwischen Repräsentation und Wirklichkeit kein Unterschied mehr bestünde, träte der dramatisch gefürchtete Tod buchstäblich jeden auch wirklich innerhalb dieser Aufführung an – was allerdings nicht zu befürchten steht. Hoch im Kurs standen Totentänze im ›Herbst des Mittelalters‹, zu Zeiten einer heftigen Glaubenskrise, in deren Verlauf das christliche Jenseits Risse bekam, aus denen das Nichts hervorgrinste. Was will das den Heutigen sagen? Vielleicht, dass soeben das komfortable Diesseits Risse bekommt, jene Region des ›Todlos‹, in der Krankheit und Tod, zu einem Komplex verschmolzen, an Medizin und Sozialarbeit delegiert werden? Man möchte es beinahe glauben – dann blickt man auf die immensen Gewinne an Macht, Prestige und Profit, die hinter den Masken lauern, und verzichtet. Stattdessen ahnt man die überschießende seelische Energie der Epoche, die da einmal mehr ins Joch undurchsichtiger Interessen gezwungen wird. Zu welchem Ende? Wer weiß.

Notizen für den schweigenden Leser

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Sie sind essenziell für den Betrieb der Seite (keine Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.