Ich las die Frage vor Jahren als Bewohner der Alma Mater unter den Vorlesungsankündigungen der Kollegen. Dieser hier kam aus der Soziologie, offenbar wollte er den drögen Lehrstoff mit einer provokanten Formulierung ein wenig aufpolieren, schließlich konnte zu jener Zeit niemand wissen, dass dies einmal zur Schicksalsfrage der Nation – und nicht nur dieser – werden könnte. ›Verblödung‹ ist per se kein wissenschaftlicher Terminus, seine Definition erfolgt meist umgangssprachlich unter Verweis auf einschlägige Beispiele. Ich weiß nicht, welche Beispiele der Kollege seinerzeit ins Feld führte und ob er sich im Fortgang seiner Überlegungen der Mühe einer formal korrekten Definition unterzog. Verwaltungen können in Korruption versinken, sie können durch Mittelentzug ineffizient, durch übermäßige Mittelvermehrung omnipotent und entsprechend übergriffig werden, ohne dass ihre Effizienz dadurch wesentlich zunähme – im Grunde sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, behördliche Entgleisungen zu konstruieren. Aber Verblödung? Das spielt in einer anderen Liga. Das hieße ja, ihnen einen Kopf – oder Köpfchen – anzudichten, zusätzlich zum gern bemühten Wasserkopf, den sie ohnehin darstellen. Das Virus hat auch hier das Undenkbare in den Bereich des Wirklichen bemüht und da prangt es, zum mit Ärger untermischten Gaudium des Publikums und zu speziellen Freude des einfallslosesten aller Kabaretts, nämlich des deutschen.

Können Verwaltungen verblöden? Kurz gesagt: ja. Der Vorgang ist im Grunde ganz einfach. Es genügt, dass die Politik, also Bund-Länder-Gremien, Landesregierungen, Senate, Magistrate im Kurzschlussverfahren, ohne sich weiter um Gesetzgebungsverfahren und gesetzgebende Institutionen zu kümmern oder auch nur die entsprechenden Abteilungen um Machbarkeits- oder Nützlichkeitsgutachten zu bemühen, im Wochentakt Pi-mal-Daumen-Entscheidungen fällen, mit denen sie, da sie das aus irgendeinem Grund für verantwortliche Politik halten, den Alltag der Menschen in einen Parcours unbegreiflicher Misshelligkeiten verwandeln, um am Ziel mit einem passenden Kreuz bei der Stimmabgabe bedankt zu werden. Wie war’s? Schön war’s? Seid ihr alle noch da? Jaaaa. Seid ihr auch alle gesund? Ja, Kaspar! Die wahre Stärke von Verwaltungen liegt in der Umsetzung, jeder weiß es. Verblödung ist das interne Resultat der Umsetzung von Regierungshandeln, das davon ausgeht, dass das regierte Volk – ja was nun? – blöd ist. So einfach ist das, ich weiß nicht, ob der Kollege aus der Soziologie auf diesen Punkt hinauswollte, wir hatten ja alle noch nicht so viel Erfahrung mit dieser Art des Regiertwerdens. Blöd ist, wer nicht sieht, was doch auf der Hand liegt. Das kann ein vorübergehender Zustand sein, es kann aber auch, sagen wir, den Vorteil der anderen Seite auf eine unbestimmte Dauer stellen, die keiner Seite gut tut. Eine verblödete Verwaltung jedenfalls wird schneller zum Fall, als es ihr auffällt.

 

Notizen für den schweigenden Leser

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