Die Theorie des symbolischen Opfers lehrt, dass jeder gemeinschaftlich begangene Mord, soll er nicht umsonst gewesen sein, gemeinschaftsstiftend wirkt: Die Gemeinschaft der Mörder einigt sich auf die Heiligkeit des Opfers. Sichtbarer Ausdruck dieses Bundes ist das kultische Opfer. Wer immer dabei zu Schaden kommt, Mensch oder Tier – der Schaden mag real sein, aber gemeint ist er symbolisch. Der Rest lässt sich als Kollateralschaden (oder auch ‑nutzen, falls es dabei etwas zu essen gibt) abhaken. Schließlich kann man auch Dinge opfern: einen Hosenknopf zum Beispiel oder wertloses Papiergeld. Entsprechend ließe sich ein ungesühnter Verfassungsbruch, der, bei fortdauernder Komplizenschaft der politischen Klasse, das Zeug dazu hat, die Republik auf unabsehbare Zeit in einen undefinierten Zustand zu versetzen, alljährlich als heiteres rituelles Verfassungsbrechen wiederholen, bei dem unter allgemeinem Gelächter die einschlägigen Verfassungsparagrafen verlesen und anschließend öffentlich verbrannt werden. Ein Vorschlag, wie gesagt. Was daraus wird, wissen die Götter.

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Die Kanzlerin hat es geschafft, wenige Monate vor ihrem angekündigten Ausscheiden aus der Politik sich ein Alleinstellungsgesetz auf den politischen Leib zu schneidern. Ab jetzt wird ihr Erfolg in Inzidenzen gemessen und jede Inzidenz ist Kanzlerinzidenz. Die Ministerpräsidenten der Länder haben sich aus dem Rennen nach noch mehr Sicherheit ausgeklinkt und können im Rahmen ihrer scharf eingegrenzten Zuständigkeiten der ökonomischen Schadensbegrenzung den einen oder anderen demoskopischen Lichtblick abgewinnen. Was immer an Pleiten und Empörung auf das Land zurollt: Sie werden damit nichts, gar nichts, überhaupt nichts zu schaffen haben. Das ändert zwar nicht viel, aber in der Politik ist der sich öffnende Spalt eine gern genutzte Rennbahn in die Zukunft. Sollte es jetzt noch gelingen, den bevorstehenden Sturz als rauschenden Abgang zu verkleiden, dann ginge ›Mutti‹ gleichsam in einem Aufwasch als Täterin, Sündenbock und Heldin der Geschichte. Was will eine Sterbliche mehr? Vielleicht den Heiligenschein, ausgestellt von der Community der Rechtgläubigen, der Gender-, Klima- und Eurokraten – gut Ding will Weile haben und warum sollte das Mäuslein nicht zum Elefanten kommen, wenn er sich schon die Mühe gemacht hat zu kreißen?

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Immerhin wissen wir jetzt, was die Politik in den nächsten vier Jahren verbocken wird: das Klima. Nicht die Klimapolitik, sondern das Klima. Warum? Weil man es für alles verantwortlich machen wird, was schiefläuft – und darüber hinaus für eine ganze Menge dessen, was exakt so laufen wird, wie es laufen soll, auch wenn es der Menge der davon Betroffenen ganz und gar nicht schmecken wird. Das Beste daran wird sein, dass das Klima, in der Glorie seiner Durchschnittswerte und Höllenprognosen, weder zum einen wie zum anderen passen wird, was bedeutet, dass die Schönredner dieses Politikmodells, vom Regierungs-Klimatologen bis zum freischaffenden Wadenbeißer, gut im Futter stehen werden. In der Politik gibt es kein besseres Erfolgsmodell als das Scheitern. Es darf bloß nicht zu schnell erfolgen, damit sich hinreichend viel Geld hineinschütten lässt. Das Problem, das vom Scheitern aufgeworfen wird, sind die vielen Einsichtigen, die es kommen sehen und es daher in Gedanken bereits vorwegnehmen. Man braucht Heerscharen von Schwätzern, um sie täglich der Lüge zu bezichtigen, wenn ihnen schon das Maul nicht anders zu stopfen ist. Leute, die bereits länger auf dieser Welt weilen, nennen es das Kassandra-Problem, andere, die nicht aus den Windeln herausfinden, glauben, man bräuchte nur die Welt einzuwickeln und wäre sie los.

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Was verwundert: Dass die bekennenden Klimahysteriker keine Angst davor haben, irgendwann einmal für die Folgen der von ihnen verantworteten Politik zur Rechenschaft gezogen zu werden. In dieser Verwunderung steckt, wie in einer Matroschka, das Erschrecken über die Bedenkenlosigkeit, mit der etwas dem Zugriff der Akteure weitgehend Entzogenes, von Kräften, welche die der zielstrebig handelnden Menschheit um ein extrem Vielfaches übersteigen, kontinuierlich neu Inszeniertes wie das Klima einem Machtkalkül schein-unterworfen wird, das schon an den Interessen des Nachbarlandes zuschanden wird und zuschanden werden muss, will man auch in ein paar Jahren noch im Warmen sitzen, wenn’s draußen stürmt und schneit. Die Hybris von Regenwürmern, die sich fürs Wetter verantwortlich fühlen, weil ihr Name nun einmal so etwas andeutet, besitzt etwas ungemein Rationales, verglichen mit dem Eifer klimapolitischer Kannegießer, die Hexentänze um jede Thermometerbewegung aufführen, während sie unentwegt versichern, Wetter und Klima hätten definitiv nicht das Geringste miteinander zu schaffen, Wetter sei chaotisch, beherrschbar hingegen das Klima.

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Und der Herr der Dienste verfinsterte die Gemüter seiner Diener, so dass sie von Furcht erfüllt waren, aber es war nicht die Furcht des Herrn, die sie erfüllte, sondern der ganz gewöhnliche Schiss von Leuten, die nicht wussten, wie es mit ihren Karrieren weitergehen sollte, wenn die Menge ihnen den Kredit entzöge, dem sie Posten und ihre Pöstchen verdankten. Die Menge aber war erfüllt von der Furcht des Herrn, seit er, in ein mikroskopisch kleines Ding verwandelt, sich plötzlich in aller Munde befand. Und voller Furcht bestiegen die Diener ihres Herrn die Panik der Massen, um sie zu reiten. Doch nach und nach fassten sie Zutrauen zu den Bewegungen des Tieres und beschlossen insgeheim, es zu Tode zu reiten, einesteils, weil ihnen das Absteigen zu gefährlich erschien, andernteils, weil sie die Welt noch nie aus dieser luftigen Höhe gesehen hatten und von dem Anblick nicht mehr lassen wollten. Da ergrimmte der Herr der Dienste und sprach: »Es ist nicht gut, wenn Schafe auf einem Kamel durchs Land reiten. Dieses Tier ist von schlechten Eltern. Wenn es erst einmal Hunger und Durst verspürt, wird es zusammenbrechen und im Sand verenden.« Das hörten die Schafe, sie witterten die Gefahr und sprachen also zum Kamel: »Du musst jetzt stark sein, denn der Herr hat beschlossen, uns alle zu prüfen. Im Grunde würde es uns nichts ausmachen zu Fuß zu gehen, ganz so wie du. Da du aber blind und taub bist – erwäge unsere Worte wohl! –, würdest du uns nicht folgen können und elendiglich in der Wüste verenden, wie der Herr es dir prophezeit. Du siehst also, du hast keine andere Wahl als die, uns weiter zu tragen, komme, was da wolle. Dafür wirst du uns alle in eine Welt bringen, wie sie noch keiner von uns erblicken durfte. In dieser Welt unbeschreiblicher Genüsse wirst auch du Schaf sein, Schaf unter Schafen. Das wird dir sehr gefallen.« Da erbebte das Kamel vor Freude. Fast hätte es seine Flügel ausgefahren und wäre davongeflogen, hätte es nur gewusst wohin.

 

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