Mein Freund Peter Scholle, alter Klassen- und Kriegskamerad, zeigt sich leicht überrascht.
»Frage: Wann hast du das letzte Mal Menschen verachtet?«
»Lass mich nachdenken. In der Bahn. Ja sicher: in der Bahn. Ich fuhr gestern nach Wannsee.«
»Wieso das denn?«
»Wannsee?«
»Nein, Menschen.«
»Sagen wir so: In der Bahn hast du Zeit. Dein Blick schweift, du hörst das Geschwätz der Leute und denkst: Was seid ihr doch für Affen.«
»Das ist menschenverachtend?«
»Weiß ich nicht. Du hast das doch gesagt.«
»Ich habe nur gefragt.«
»Also gut. Jetzt, wo du’s sagst, ist es wohl eher affenverachtend. Die Menschen schwadronieren und ich denke mir: Was seid ihr doch für Affen. Dabei kenne ich gar keine Affen. Ich meine jetzt persönlich, so von Affe zu Affe.«
»Wieso verachtest du sie dann?«
»Affen? Ich? Bin ich bescheuert?«
»Jemanden musst du doch verachten.«
»Komm mir nicht mit dem Trick.«
»Das ist kein Trick. Wenn nicht Affen, dann vielleicht Hühner? Oder Schweine? Gänse vielleicht, gerupft oder ungerupft?«
»Also ich bin kein Kostverächter, wenn du das meinst. Aber Menschen –? So betrachtet verachte ich sie, das ist wahr. Alle Menschen. Darauf möchte ich bestehen.«
»Wie? Du hast noch keinen verspeist? So mit Haut und Haar?«
»Jetzt wo du’s sagst…
»Ja was nun?«
»Ich verspeise Menschen zum Frühstück.«
«Klingt bissig. Wie das?«
»Ich werfe das Handy an und da kommen sie: Politiker. Mit Bild und Spruch, hintereinander, wie am Schnürchen. Ich verspeise sie kalt, ohne Ausnahme. Nur der Kaffee muss heiß sein.«
»Was sagt dein Magen dazu?«
»Ach, der kennt das. Ich bin mir sicher, dass er alles behält.«
»Die Bilder und die Sprüche? Alles?«
»Meinem Magen entkommt nichts.«
»Wie fühlt sich das an?«
»Es geht, solange ich sitze. Erst wenn ich aufstehe, kommen die Beschwerden.«
»In welcher Gestalt?«
»Methan.«
»Scheiße.«
»Leichter gesagt als getan.«
»Menschenverachtend.«
»Wie bitte?«
»Dein Magen. Treibt die Luft heraus und behält den Rest für sich.«
»Da hast du auch wieder recht. Was geht dich das an?«
»Parteien. Ich denke da an Parteien. Gerade so machen sie’s.«
»Du meinst, was die da treiben, ist menschenverachtend?«
»Das meine nicht ich. Das treibt aus mir heraus.«
»Du meinst…?«
»Genau.«
»Einer muss sie doch…«
»Verachten?«
»Nein. Beim Wort nehmen.«

 

Notizen für den schweigenden Leser

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