»Wir wissen heute«, führt der jüngere Swedenborg aus, »dass der moderne Wunderglaube (und vielleicht nicht nur er) ein Produkt der Massen ist. Das stumme Votum der Alltagsmehrheit ohne umrissene Grenzen sticht so grell von der Tätigkeit der Lautsprecher ab, die den täglichen Wahnsinn unters Volk bringen, dass man leicht übersieht, worin seine Funktion besteht. Es nimmt, so sagt man, dem Einzelnen Verantwortung ab, aber worin besteht diese Verantwortung? Der Einzelne ist verantwortlich für das, was er sagt, die Menge nicht. Was folgt daraus? Man unterstellt der Menge, was den Einzelnen in ihr bewegt: Die Menge ist wundergläubig. So schnell wird man selbst zum Wundergläubigen. Die Menge ist die Menge, sie sieht nichts, hört nichts, glaubt nichts. Fast möchte man meinen, sie ist nichts, aber das ginge denn doch zu sehr über den Augenschein hinaus. Sie macht etwas mit den Einzelnen, das ist wahr, sie verändert sie (was Demagogen immer gewusst und für ihre Zwecke ausgebeutet haben), aber dieser geheimnisvolle Mechanismus der Massenpsyche, dessen Wirken, nach dem Vorbild der seh- und fühlbaren Massenpanik, gern als Massenhysterie bezeichnet wird, ist nichts, was zur Psyche des Einzelnen hinzukommen oder sie verdrängen würde. Das Ganze basiert schlicht und einfach auf einer Fehlwahrnehmung. Die schweigende Mehrheit gibt es nicht. Sie sendet sozusagen bloß auf anderen Kanälen als den vom Einzelnen im Bedarfsfall abgehörten, eine Tatsache, die ihm übrigens in der Regel wohl bewusst ist, er ignoriert sie nur. Mag sein, aber das gehört nicht hierher. Im Grunde seiner Seele weiß er wohl, dass es hierher gehört, aber er hat nun einmal beschlossen, davon keinen Gebrauch zu machen. Es ist ja auch nicht die Masse, sondern es sind die Einzelnen in der Masse, die da senden, so kann er alles, was da gesprochen, geschrieben und gesendet wird, als Einzelfall und -meinung abtun. Kleine radikale Minderheit – damit ist der Job der ganz persönlichen Desinformation bereits zur Hälfte getan.«

»Es ist die Idee der Masse, die isoliert. In der Isolation wird der Mensch zaghaft, die selbstverfügte Isolation lässt ihn schweigsam werden, weil ihm zum Schreien die Kraft fehlt und es ohnehin ungehört verhallen oder höchstens die Wärter anlocken würde. Schon im engsten Familienkreis kommt es nicht gut an, die Stimme zu erheben, sei es aus Erregung oder Überzeugung. Da fällt es leichter, das eingebildete Schweigen der Massen als naive Gläubigkeit zu deuten, von der sich der Skeptiker absetzt. Der Einzelne glaubt nicht an Wunder, jedenfalls nicht im politischen oder ökonomischen Raum, aber er tut so, weil er annimmt, dass die anderen daran glauben. Und muss nicht etwas dran sein, wenn alle fest daran glauben? So siedelt das Wunder im Herzen der Skepsis, es bleibt ihr Geheimnis, aber manchmal bricht es heraus.«

Anders als sein berühmter Vorfahr ist unser Swedenborg Skeptiker. »Was soll’s«, lächelt er, »auch Gene verpflichten.«