Je mehr Definitionen des Spiels man gelesen hat, desto mehr fällt einem auf, dass der wichtigste Zustand, den es gewährt, dabei fehlt: Selbstvergessenheit. Der Mensch spielt nur da ganz, wo er seiner vergisst – nicht nur die Sorgen und Bedrückungen des wirklichen Lebens, wie es gelegentlich heißt, sondern buchstäblich sich selbst. Man könnte einwenden, das sei nichts besonderes, die meisten Menschen kämen ohnehin aus diesem Zustand nicht heraus, sonst müsste man sie nicht so oft ermahnen, besser auf sich aufzupassen. Aber das Selbst ist nichts, worauf man aufpassen müsste, es meldet sich … von selbst, wie sonst. Es ist ja keine Besonderheit, dieses Selbst, es ist nur einfach da und sorgt dafür, dass der Mensch nicht ganz in seinen Zuständen versinkt. Bei sich selbst sein heißt selbstversunken sein, ins Selbst versunken, um es deutlich auszusprechen, also ganz das Gegenteil des Spiels. Da kommen die Nüchternen und sagen: Diese Definition, falls es denn eine sein sollte, teilt das Spiel mit der Arbeit und der Ekstase, sie ist viel zu weit. Wer nicht in seiner Arbeit aufgehen kann, den nennt man einen Faulpelz und Tunichtgut, wer die Zustände der Ekstase nicht kennt, der kann ohnehin nicht mitreden, wenn die Erwachsenen sich unterhalten. Also gut, schärfen wir die Definition etwas an: Spiel ist Vergessenheit. Nicht nur das Selbst ist vergessen, auch die Welt. Es gilt der nächste Zug oder wie das, je nach Spielart, gerade heißt.
Auch Arbeit kann, wenn es um alles oder nichts geht, ekstatische Züge annehmen und zum ›verwegenen Spiel‹ mutieren. Insofern ist Spiel auch Ekstase. Der Unterschied – es kommt immer ein Unterschied zum Vorschein, wenn man nur genau genug hinschaut –, der Unterschied liegt darin, dass die Ekstase dem Tod die Stirn bietet, das Spiel dem Leben. Darüber lässt sich trefflich nachdenken und der Philosoph schweigt.
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Die öffentliche Anschärfung aller Sachverhalte dient, unter anderem, der kulturellen Entleerung: der Feind bestimmt, wo es langgeht. Kultur ist Reichtum in der Entfaltung. Alle Aspekte des individuellen wie des öffentlichen Lebens tragen das Siegel einer formgewordenen Durchdachtheit, die dem Menschen seine Gedanken im Fluge eingibt. Der Einzelne weiß, dass er nicht unter eine gewisse Marke sinken darf, ohne in den Zustand der Rohheit zu verfallen, der, nebst allem anderen, aus gutem Grund als erbärmlich gilt. Erbärmlich – oder fanatisch – ist, wer in allem nichts weiter zu sehen vermag als den Feind. Es mangelt ihm an Kultur. Wenn ich das Wort Kultur höre, entsichere ich meinen Browning, schrieb der Kulturverächter Hanns Johst. Seine Nachfahren überschmieren Gemälde und fühlen sich, gleichgültig, was sie treiben, im Recht. Aber auch die Hüter der Kultur – der eigenen, wie sie meinen – treibt es rasch dorthin, wo sie bloß noch ein Wort ist, das Hass und Niedertracht befördert: Ihre Inhalte haben sich längst auf und davon gemacht und lachen sich einen Ast. Wenn also … gesetzt … eine Regierung jagte das Volk von einer Feindbesessenheit in die nächste und sähe darin die hohe Kunst des Regierens, so wüsste man mit Sicherheit eines: Sie ist ein Feind der Kultur und tut, was sie kann, um den Einzelnen aufs bare Leben herunterzudrücken. Das Volk muss entscheiden, ob es das will. Besser, es wäre bereits entschieden und ließe es nicht so weit kommen.