Diese Röhren-Sache…! Nun wissen wir also Bescheid. Der Große Bruder war’s, der der heimischen Industrie das Gas abzwackte und ein paar Millionen Haushalten gleich mit. Da wird der empörte Bürger gleich ruhiger und die Zornader schwillt ab. Nur eingefleischte Antiamerikaner werden nicht müde, Konsequenzen zu fordern. Wie gehabt! Sie reden halt, ohne zu wissen. Was wissen schon Journalisten! Ohnehin steht journalistische Aufklärungsarbeit, wo sie denn einmal stattfindet, unter Verschwörungstheorie-Verdacht, was immer der Ausdruck bedeuten mag. Nichts Gutes! Wer Verschwörungen aufdeckt, ist Verschwörungstheoriker, basta. Das weiß jedes Kind.
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Ein Militär hingegen, der, bequem im Befragungssessel sitzend, erzählt, wie man’s macht, um an einem Krieg teilzunehmen, ohne Kriegsteilnehmer zu sein – Nato-Uniform aus-, eine andere angezogen –, hat da natürlich bessere Karten. Er verrät ja nichts, nur eben wie man’s macht. Wie auch anders? Wie denn anders? Da applaudieren all die virtuellen Teilnehmer am Kriegsgeschehen, zufrieden, dass ihre Jungs – kein Sexismus! - einen Weg gefunden haben, dafür zu sorgen, dass all die stinkteuren Waffensysteme, die nach und nach ins Kriegsgebiet geliefert werden, auch ordentlich bedient werden. Eine ordentliche Waffenbedienung ist das A und O des modernen Krieges.
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So hält man einen Krieg, der längst entschieden wäre, hätte man die beiden Kombattanten sich selbst überlassen, praktisch unbegrenzt am Laufen. Man könnte diese Kriegsart Designerkrieg nennen, aber irgendwie sträubt sich der Finger, dergleichen hinzuschreiben. Nur das Outfit des Helden der Nation (und des ganzen Westens dazu) wird mit Wohlwollen betrachtet. Einer, der weiß, was er tut, und bei dem die Performance stimmt – ein Glücksfall zweifellos. Die hautnahe Verbindung von Hemd und Schützengraben erzeugt ein Prickeln, das sich tief in die Schlaf- und Schnarchstuben der Republik hinein bemerkbar macht. Die richtige Seite! Was ist die richtige Seite? Die richtige Seite ist die Seite, auf der die Richtigen stehen. Und da stehen sie. Wie ein Baum.
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Die einen sterben, die anderen demonstrieren dafür, dass das Sterben im großen Stil weitergeht. Die einen wissen nicht wofür, die anderen nicht wozu. Sie alle glauben aber zu wissen warum: Der hat angefangen! So einfach kann moralische Verantwortung sein. Wer die Spur der Verwüstung im Kopf hat, die Krieg und Bürgerkrieg in den letzten Jahrzehnten durch den Nahen und Mittleren Osten gezogen haben – niemand verlangt, sich an Vietnam oder noch ältere ›Konflikte‹ zu erinnern –, sollte sich des Grübelns entschlagen: Grübeln ist ein Haltungsschädling erster Ordnung, gleich hinter dem offenen Verrat.
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Diese alten Augen haben keinen Konflikt dieser Welt gesehen, den ihnen die Medien nicht vorsortiert hätten: Dort die Bösen, hier die Guten. Hie Churchill – hie Hitler! Hier die armen Malträtierten und schuldlos Überfallenen, die nichts wollen als ihre Freiheit, dort die Bestien in Menschengestalt. Und wenn schon nicht Bestien, dann communists, sexists, rapists, racists, imperialists – es lohnt das Übersetzen nicht, man wusste ohnehin immer, aus welcher Quelle es kommt. Was nicht ins Schema passte, das hat man auch nicht zu sehen bekommen wie zuletzt den heimlichen Bürgerkrieg in der Ukraine, und wer versehentlich hinschaute, dem hat man die Augen aus dem Kopf geredet – ja sicher, so etwas geht.
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Müde? Ein bisschen. Zum Glück hat das Land noch Achtzigjährige, die wissen, wann es Zeit ist, auf die Straße zu gehen und In tyrannos! zu demonstrieren. Was lese ich da? Russlands Krieg zielt nicht nur auf die Unterwerfung der Ukraine, der jede nationale Eigenständigkeit ausgetrieben werden soll. Er ist zugleich ein Frontalangriff auf das Völkerrecht und die europäische Friedensordnung. Das unterzeichnen Leute, deren Lebenswerk darin bestand, ihrem Land jede nationale Eigenständigkeit auszutreiben, und die stolz darauf sind. Was ist passiert? Ist das Reife? Häme? Senilità? Was bitte ist ein Frontalangriff auf das Völkerrecht? Will Russland Den Haag erobern? Wie viele Verträge muss ein Land brechen, um den Ausdruck ›Frontalangriff‹ zu rechtfertigen? Wer führt die Strichliste? Wie sieht die Rangfolge der dort verzeichneten Staaten aus? Man will es wissen und man erfährt nichts. Gehen Sie weiter, hier geschieht nichts.
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Doch. Der Frontalangriff auf die europäische Friedensordnung ist eine ernste Sache. Es ist schon wahr: Wer Krieg beginnt, beendet den Frieden. Beendet er auch die Friedensordnung? Gehört zur Friedensordnung nicht auch die Einhaltung von Verträgen? Wie steht es da um Minsk II, von dem der ukrainische Vertragspartner verlauten ließ, er habe nie daran gedacht, dieses Abkommen einzuhalten? Von dem die zuständige deutsche Ex-Kanzlerin in trauter Eintracht mit ihrem französischen Kollegen ausplauderte, es sei dazu gedacht gewesen, der Ukraine Zeit zur Kriegsvorbereitung zu verschaffen? Gehörte die Ausdehnung der Nato zur unverrückbaren europäischen Friedensordnung? Gehört zur Friedensordnung, dass die einen reden und die anderen schweigen? Gehört zur Friedensordnung, dass man die Versorgungs-Pipelines seines Verbündeten sprengt? Oder fällt das bereits unter die Handlungen im Kriege, in dem alles erlaubt ist, außer sich erwischen zu lassen?
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Wir wissen nicht, wie konkret die Friedensaussichten im März vergangenen Jahres waren, von denen der damalige israelische Ministerpräsident Bennett berichtet. Er wirkt jedenfalls nicht seniler als die Unterzeichner des jüngsten Berliner Aufrufs. Wir wissen auch nicht, wie das Treffen zwischen Boris Johnson und dem ukrainischen Kriegshelden wirklich verlief, von dem seit Wochen gemunkelt wird, es habe das Ziel gehabt, einen fast ausgehandelten Frieden zu torpedieren. Wir, das heißt die unqualifizierte Menge der Empfänger von Medienbotschaften, wissen, bei aller vorgeblichen Informiertheit, sehr wenig darüber, was hinter all den aufgestellten Kulissen der Macht und der Mächtigen gespielt wird. Wer erteilt uns das alltägliche Recht, Weltgericht zu spielen? Unsere Macht? Unsere Ohnmacht? Wohl eher letztere.