Die Einführung komplexer dynamischer Systeme in die Natur überfordert das Alltagsbewusstsein. Die Idee, Natur lasse sich kreisförmig (und -läufig) denken, ist deshalb so populär, weil sie die Vorstellung einer jederzeit möglichen Rückkehr zu den Anfängen in sich schließt: Der exzentrische Mensch, durch eigenes oder fremdes Zutun aus der Bahn geworfen, muss sich bloß zur Umkehr entschließen, sich wieder in die Kreisläufe einfügen, wieder Kind werden, Naturkind, und alles wird gut. Eigentlich ist ›populär‹ nicht das richtige Wort, es lässt die Lehre der Weisheit außer acht, die darin spukt: eine sehr alte Weisheit, aber doch bereits ›Wissenschaft‹. Die Mythen, die ihr vorhergehen, sind katastrophisch.

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Der Durchschnittseuropäer ist Ptolemäer. Der Boden, auf dem er sich bewegt: plan bis zum Horizont, ein Bauplatz, leicht zu vermessen, mit einer luftigen Klima-Kuppel darüber, Käseglocke der Sorgen, in denen die immerwährende Religion der Sünde den Einzelnen schmoren lässt, gleichgültig, ob er von ihr etwas wissen will oder nicht. Keine Wissenschaft kann daran etwas ändern. Will sie es denn? Nicht, sobald sie zum Stimmenfang ausrückt: Wer Luftschlösser entwirft, braucht festen Grund. Nur dass er den Windbeuteln irgendwann zu heiß werden könnte: darin besteht das innerste Wesen dieser Art ›Sorge‹.

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Magnetische Pole, die wandern, tektonische Platten, die sich verschieben, sich wandelnde Klimate – Angstmacher erster Ordnung. Wo soll das enden? Das ist doch irre. Angst überspannt den Spalt zwischen Wissen und Überzeugung, d.h. dem nicht beherrschten wissenschaftlichen Weltbild und dem fest in der Brust verankerten Wissen der Manen, der Hausgötter des familiären Bewusstseins. Was immer die Stabilität meiner Welt gefährdet, und sei es in Tausenden oder Millionen oder Milliarden von Jahren, gefährdet mich, mich ganz persönlich. Ich muss es aufhalten, selbst um den Preis der Aufgabe meiner Lebensform. Das ist paradox? Das ist paradox. Es ist le postchristianisme, Christentum nach dem Christentum.

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Sie glauben an nichts, aber sie wollen die Schöpfung bewahren. Das ist der Kern aller Über-Zeugung. Die Schöpfung, das ist das in ihre Hand gegebene All. Es ist die invertierte Geste der Religion: Wir alle sind in SEINER Hand. Sie leuchtet ein: Ist ER einmal aus dem Manuskript des Schöpfungsgedankens herausgeschnitten (oder als ›toxisch‹ unter Tabu gestellt), dann kann dieses Loch nur durch Anspannung aller Kräfte überbrückt werden. Man kann diese immerwährende Anspannung ins Nichts hysterisch nennen, aber man verkennt damit ihre Herkunft. Der theologische Sexismus hat mit dem biologischen nichts gemein außer dem kulturellen Milieu. Er ist ihnen aufgegeben.

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Allzuständigkeit, die nicht aufs All geht, ist ein Widerspruch in sich. Worauf sollte sie sonst gehen? Soll sie sich das Heft aus der Hand nehmen lassen? Von wem…? Von einem durchgestrichenen Wesen? Das wäre absurd. Das ist absurd. Allzuständig ist das große ICH, das seine Zuständigkeit ans WIR delegiert: Es soll richten, was meine Kräfte übersteigt, obwohl ich weiß, dass es getan werden muss. Die neuen Kosmiker wollen in Eintracht mit einem Weltbild leben, das sie zerreißt. Sie wollen das kosmische Heim. Dafür gehen sie weit, aber nie weit genug. Weit genug indessen, um die Luft zum Atmen knapp werden zu lassen. Man kann die Tendenz totalitär nennen, aber eigentlich ist sie omnitär. Die Idee einer perversen Teilhabe rumort in ihr.

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»Ich weiß, dass meine Welt mit mir erlischt. Aber ich will, dass sie ewig währt. Alles andere kränkt mich. Was folgt daraus? Ich will Erdgeschichte erleben, jetzt. Das ist das Mindeste, was ich erwarten darf. Planetenzeit und Menschenzeit, Sekundenbruchteile und Jahrmillionen, in meiner Erlebnissphäre verschmelzen sie miteinander. Sage niemand, kosmische Schicksale gingen mich nichts an. Alles muss durch mich hindurch. Wäre es anders, ich hätte nicht gelebt. Das Universum braucht mich. Aber es will nichts davon wissen. Wie ignorant ist das denn?«

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Das Ich, das da mit sich selbst spricht, als sei es ein Fremder, will keine Welt retten, seine nicht und keine andere. Es reitet auf der Idee der Rettung, wissend, dass keine Rettung möglich ist, unfähig, von ihr zu lassen, unfähig, etwas anderes an ihre Stelle zu setzen, unfähig, etwas Vernünftiges damit zu verbinden. Sein Garant ist die Wissenschaft, die es in diese Lage gebracht hat und nun vor der Aufgabe steht, es wieder herauszuholen. Folge der Wissenschaft! Das bedeutet nicht: Denke wissenschaftlich!, sondern das schiere Gegenteil: Presse der Wissenschaft ab, was zu leisten sie nicht imstande ist: Rettung. Welche Rettung kann das sein? Eine lebenswerte Welt. Aber leben nicht alle in dieser Welt? Umso schlimmer für die Welt. Wie soll sie für alle Sorge tragen, unfähig, wie sie ist, mein Leid zu lindern?

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