Gut kann ich mich erinnern, wie wütend ein Dichter wurde, als ich ihn einen Nachrichtendichter nannte.

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Über nichts führen Juristen beredter das Wort als über Rechtsbrüche. Kein Wunder: Es ist ihr täglich Brot. Verzehrt wird es an diversen Fronten und jede davon verfügt über zwei Seiten.

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Das Recht steht über der Moral und die Moral über dem Recht. Bloß kann niemand sich die Figur, die daraus resultiert, so recht vorstellen. Also kommt es darauf an, wer wen in die Finger bekommt und auf welcher Bühne.

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Solange sich kein Gericht dafür interessiert, lässt sich alles und jedes zum Verbrechen erklären – jede Sauerei, wie der Volksmund das nennt. Empfindlich regiert nur der mutmaßliche Täter – was den Verdacht gegen ihn naturgemäß nährt.

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Verbrechen, zu groß für die Justiz, nennt man historische Vorgänge. Die Frage, ob die Zeitgenossen sie als Verbrechen empfanden, erübrigt sich angesichts ihrer massenhaften Verwicklung. Die leyenda negra wird nur von Wenigen gepflegt. Man nennt sie ›kritische Geister‹.

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Die größten Verbrechen, über die je Menschen zu Gericht saßen, waren die Nazi-Verbrechen. Seither hüten sich geschichtsträchtige Figuren, Öl ins Feuer der Gerechtigkeit zu gießen.

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›Kritik‹ und ›Hypokrisie‹ sind im Bewusstsein der Menschen nahe Verwandte. Lieber hält man den Kritiker für einen Scharlatan als sich selbst für einen Versager.

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›Verzerrte Weltsicht‹ – die Phrase ist eine Waffe, gerichtet gegen Intellektuelle, also gegen Leute, die etwas zu sagen haben, ohne das Sagen zu haben. Wer sie verwendet, ist entweder ein Spießer oder ein Pfaffe, verstanden im moralischen Sinn des Wortes. Wörter gibt es, die ergeben nicht Sinn, sondern Moral.

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Wer sich mit Nachrichten eindeckt, hortet für Notfälle.

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Schönwetterspanner: eine neue Spezies. Mit frohen Botschaften Panik schüren.

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Das Neue ist das Abgegriffene. Walter Benjamin nannte das einst: Dialektik im Stillstand. Man muss einen kurzen Begriff von Dialektik haben, um sich so zu vegaloppieren.

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Die Habecks und Baerbocks und Lindners und Höckes: Kinder ihrer Zeit. Sie unterscheiden sich nicht so sehr von ihresgleichen, dass es sich lohnte, mehr als allgemeine Trends an ihnen festzumachen.

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Der Westen ist jetzt: Anglosphäre plus EU. Man kann die EU eine Dependance der USA nennen, aber damit nimmt man die Spannung aus der Geschichte heraus. Spannungslose Geschichte ist keine.

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Betrachtet man die Sprache der Medien, dann überwiegt der Eindruck: Das Englische ist dabei, die deutsche Sprache aufzusaugen. Hört man den Leuten zu, dann entsteht der gegenteilige Eindruck: Man benützt die englischen Ausdrücke auf gut deutsch.

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Mittlerweile würde vermutlich eine Mehrheit der Deutschen ihre Sprache dahingeben, um ganz und gar Europas Amerikaner zu sein. Doch Amerikas Identität erlaubt es nicht.

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Von den zwei Ruhmestiteln, welche sich die USA im zwanzigsten Jahrhundert zulegten – die Deutschen und die Russen besiegt zu haben –, schmilzt der zweite wie Schnee an der Sonne. Das schustert Deutschland als beargwöhnter Spinne im Netz der EU eine unverzichtbare Rolle zu.

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Ein guter Intellektueller kennt nur sich und die Welt. Treten Nationen dazwischen, wittert der Gute Verrat.

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Das von Juristen wegdefinierte Volk drückt aufs Glashaus der Begriffe. Man muss die Scheiben nicht klirren hören. Es genügt die bange Frage: Halten sie aus?

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Wer ›Kultur‹ mit ›Ethnie‹ gleichsetzt, gehört zu den Ideologen des Andersseins.

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Kulturen ohne Anziehungskraft sind Massenproduzenten ohne Logistik.

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›Dichterisch‹ ist das gedrängte Wort. Je dichter, desto dichterischer. Man sieht: Das drängt zum Kollaps.

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