Auf den Yagir verfiel, nein stolperte ich, als ich bei YouTube eine der großen Reden von ›M‹ hörte. Über ›M‹ (gesprochen emm- mit einem nachklappenden, bloß gehauchten a) zu sprechen bewahre ich mir für eine spätere Gelegenheit auf. Ich hörte ihr zu, aber ich hörte sie mir nicht an. Man hört so vieles, wenn der Tag lang ist, darunter Zeug, das man sich nicht anhören kann oder will, weil es einfach nicht zum Anhören ist – zum Aushalten, wie die Leute sagen, aber darin steckt bereits eine Überspanntheit, mit der ich nichts zu schaffen haben möchte. Solange die Menschen reden, ist jede Sache zum Aushalten. Der Mensch hält vieles aus, warum nicht Reden, vor allem dann, wenn sie groß sind? Und warum, um alles in der Welt, dann nicht auch solche, die minder groß, manche würden sagen, gemein sind? Auch das Gemeine ist aushaltbar, jedenfalls solange eine gewisse Distanz gewahrt bleibt. So funktioniert ein Gemeinwesen, so funktioniert auch der Yagir. Schließlich ist er kein Tisch in der Landschaft, auf dem nichts gedeiht außer gelegentlichen Früchten des Zorns, sondern eine Community, in der jeder auf seinem Posten… Was sage ich? Wohin verirre ich mich? Der Yagir – manche seiner Bewohner nennen ihn das Yagir aus Furcht, eine Geschlechterdebatte loszutreten, und schon haben sie eine losgetreten –, der Yagir ist eine gespaltene Community, was viel mit den losen Reden von ›M‹ zu tun hat, die zwar keiner hören will, die aber von den professionellen Redenabhörern regelrecht ausgeschlachtet werden, weil sie ihnen verraten, welchen Kurs sie zu steuern haben. Ja sicher, auch der Yagir kennt seine ›M‹. Ehrlich gesagt, kennt er viele. Doch irgendwie verschmelzen sie alle zu einer einzigen, jedenfalls ist der gemeine Yagiritenverstand nicht imstande, sie sorgfältig auseinanderzuhalten. An jenem Morgen – einem Neujahrsmorgen, ich wartete auf das Frühstück und machte mich bereit zu einem Spaziergang durch das blütenfrische Palermo – hörte ich erstmals aus der Ferne die Parole von Hass & Hetze und meine Eingeweide signalisierten mir… Ich besitze empfindliche Eingeweide, ich könnte sie für Kenner aufschlüsseln, doch das spare ich mir für kommende Gelegenheiten auf. Was ich sagen wollte … in gewisser Weise erstand der Yagir an diesem ausgesprochen heiteren Morgen aus meinen Eingeweiden. Er stieg herauf, unaufhaltsam, setzte sich an meinen Schreibtisch und schrieb. Wenn jemand Hass & Hetze sagt, nicht als Privatmensch, sondern in hervorgehobener Position, dann lässt er Hass & Hetze los, und wenn gerade niemand zur Stelle ist, der dem mit aller Kraft entgegentritt, dann ist über kurz oder lang kein Halten mehr und der Yagir, das Land, in dem Hass & Hetze an der Tagesordnung sind, überfirnisst die Felder und Wälder der wirklichen Welt, übrigens auch große Städte wie Palermo, das blütenfrische. Niemand kennt das Niemandsein so wie ich, von außen wie innen, kein Wunder also, dass gerade ich an jenem Morgen zur Stelle war – und stolperte.

 

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