Feindschaft, schreibt mir ein Kollege, ist der Wille zur grenzenlosen Vernichtung. Er schreibt es mit einem leisen Lächeln. Es ist mir wohlbekannt, dieses Lächeln, ich entdecke es oft auf den Gesichtern von Gelehrten, denen gerade eine definitorische Zuspitzung gelang: Hier stehe ich und kann nicht anders. Sie können auch anders, die geschätzten Kollegen, sie können ganz anders, wenn der Zeitgeist oder eine weitere Konstante ihres Lebens sie ruft, aber hic et nunc, in diesem bedeutenden Augenblick, ward diesem, als logischer Abschluss einer langen Gedankenreihe, die Erleuchtung zuteil und er legt Zeugnis ab: Feindschaft ist die Freiheit zur Auslöschung des anderen. Ich sollte den Kollegen, mit dem ich freundschaftlich hin und wieder Gedanken tausche, in den Yagir einladen, doch ich fürchte fast, er ist schon drin. An sich müsste ich darüber erfreut sein. Doch will mir die Freude nicht recht gelingen. Sie bliebe auch einseitig, denn ich weiß, er ist ein eingefleischter Gegner des Yagir, am liebsten würde er ihn … nanana, was kommt da für ein Affekt zum Vorschein? Doch nicht etwa Feindschaft? Feindschaft ist eine Leidenschaft, schreibt der Kollege, keine Wallung, sondern ein Streben, dem eine gewisse Hartnäckigkeit eignet, wie niemand leugnen kann, dem jemals ein Feind begegnete. Er hätte auch schreiben können, Feinde sind lästig, Feinde sind gefährlich, Feinde sind nicht hinnehmbar, obwohl das Leben lehrt, dass man gerade ihr Dasein hinnehmen muss, es sei denn, man erfüllt ihren Herzenswunsch und macht sich freiwillig aus dem Staub. Es liegt dem Yagir ›in den Genen‹ – schwachsinnige Metapher, extrem beliebt! –, dass niemand auftritt, der den anderen offen zum Feind erklärt. Was immerhin eine Klärung der Fronten bedeuten und den Krieg offen in Gang setzen würde, egal wie versteckt man ihn dann in der Praxis führt. Stattdessen bezichtigt man den anderen der Feindschaft, man attestiert ihm mangelnden Willen zur Kooperation, man spricht ihm die Integrationsfähigkeit ab, man taucht tief hinab in seine Psyche, seine Einsamkeitsneurosen und seine aus mangelnder Anerkennung aufschießenden Aggressionssüchte, um … um … nun ja, um ihn fertigmachen zu dürfen. Feindschaft ist die Freiheit des Andersdenkenden, mich zu vernichten. Ich las den Aufkleber über dem Eingang zu einem Fernsehstudio, ich schrieb ihn vorsichtig ab und trug ihn hinüber in den Yagir, der Steg schwankte, ich aber schwankte nicht, denn ich hatte begriffen.