Wie schon gesagt, ich kenne Justus, will sagen, ich weiß, wie er tickt. Jetzt, gerade jetzt sehe ich ihn am Schreibtisch sitzen und seine Worte wählen. Ja, er gehört zu den Alten, die ihre Worte noch wählen, ich sehe ihn in seinem Wortbaukasten wühlen, das eine und andere Schmuckstück herausnehmen und wieder zurücklegen, denn die Qual der Wahl ist seine Lust. Gewisse Wörter legt er sich auf die Zunge und lässt sie dort eine Zeitlang zergehen, darunter richtige Marzipanstücke, die nur selten und dann mit Würde gebraucht werden wollen. Die meisten seiner Altersgenossen lassen strömen, was sich in Jahrzehnten angestaut hat, den Schmutz inklusive, er klatscht von ihren Lippen in die bereitgestellten Behälter, hin und wieder trifft er auf Mikrofone, die ihn hurtig in alle Welt transportieren. In alle Welt hinaus treibt es auch Justus, aber anders, auf die aparte Tour. Der Zynismus – aus dem erwähnten Grund gebrauche ich den Ausdruck bloß ersatzweise, bis mir ein besserer einfällt –, der Zynismus transportiert seine Rache dafür, dass es nur selten und dann bruchstückhaft gelingt. Er ist das Transportmittel und das Transportierte, die Gewähr dafür, dass er ankommt, und das Gewährte. Wie gesagt, gerade jetzt sehe ich Justus über den Schreibtisch gebeugt, fast kommt es mir so vor, als tunke er seine Feder ins Tintenfass. Natürlich ist das bullshit. Nein, ich höre den Anschlag, ich höre das Rascheln der Augenlider, während sein Blick über die geschriebenen Zeilen huscht und der Adlerfinger, auf einzelne Tasten niederfallend, Buchstaben auswechselt, er ist fast fertig mit seinem Text und die Fehlersuche läuft bereits an. Gleich morgen wird er mich anrufen, Unruhe, vermischt mit Ungeduld in der Stimme, um mein Urteil einzufordern, denn neben allem, was er schreibt, steht das Fallbeil des Verdikts. Gewöhnlich gebe ich ihm, was er braucht, vor allem jetzt, in der Weihnachtszeit, da ich mich für sein Schicksal verantwortlich fühle, jedenfalls teilweise, was er nicht verstünde, wollte ich’s ihm erklären. Deshalb versuche ich es erst gar nicht.

 

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