Eine dicke, fette, fleckige Kröte, sagt das Kind und sieht dabei so unglücklich drein, dass man es in den Arm nehmen und küssen möchte. Bitte nicht! Der ganze Yagir geriete in Aufruhr. Was das Kind meint, ist nicht so leicht zu erschließen. Gewiss hat es etwas gesehen, mag sein im Gras, mag sein in den Wolken, mag sein, im Gesicht eines Erwachsenen oder einer Spielkameradin, niemand darf sich angesichts einer solchen Feststellung in Sicherheit wiegen. Auf feindliche Äußerungen gegen Tiere – Zoophobie – steht im Yagir Gefängnis und jedermann hütet sich, wegen dergleichen Lappalien sich das Leben zu ruinieren. Bloß die Kinder … die Kinder, umschlossen vom Laufstall der erlaubten Wörter, setzen die Erwachsenen wie eh und je in Verlegenheit. Blicke, die töten könnten, prallen völlig wirkungslos an ihnen ab. So ein Kind formuliert auf den Punkt und nichts, auch nicht die plötzliche Stille, ficht es darin an. Im städtischen Omnibus sind die Erwachsenen die Gefangenen und die Kinder bewegen sich frei. Sie wissen genau, welche Wörter sie nicht benützen sollen. Aber sie sehen den Grund dafür nicht und wenn sie ihn sehen, dann sehen sie ihn nicht ein und führen große Reden um das Warum, das sie ohnehin immerfort beschäftigt. Warum ist falsch, was ich sage, wenn es doch richtig ist? Kluges Kind! Warum benützt der Yagir andere Wörter, immerfort andere, statt diejenigen, die sich doch anbieten würden und die jedermann kennt? Die Kleine, adrett in ihrem roten Kapuzenmäntelchen, sie hat, wie gesagt, etwas gesehen und möchte es mitteilen. So deutlich konnte sie’s sehen, dass ihr der Mund offen blieb und die Wörter herauspurzelten, als hätten sie seit Urzeiten auf den Augenblick gewartet. Jetzt steht sie da, trotzig, denn sie weiß nicht, was sie verbrochen haben soll, während das unsagbare Verbrechen um sie herum wabert und auf den Moment lauert, sie mitsamt ihrer Mama zu verschlingen. Denn immer sind es die Mütter, die Mitschuld tragen, sobald ein Kind aus Versehen die Wahrheit sagt. Dabei können sie wirklich nichts dafür.

 

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