Blamage. Das Wort gehört zu den ausgerotteten Wörtern, die jeder auf Anhieb versteht, sollte er sie in einem Buch lesen oder in einem älteren Video auf sie stoßen. Die Fachleute nennen das einen passiven Wortschatz. Niemand weiß, wie groß der passive Wortschatz ist, da es verboten ist, ihn zu erwähnen. Nach der Rolle zu urteilen, die er im Leben des einfachen Yagiers spielt, muss er riesig sein. Es kommen auch täglich neue Wörter dazu. Glücklich, wer sie nicht kennt! Er ist vor jeder Blamage gefeit, jedenfalls vor den gefährlichen. Schon deshalb nimmt die gewollte Vergesslichkeit zu. Das trifft vor allem die Dichter, jedenfalls diejenigen, die aus dem passiven Wortschatz schöpfen und einst für ihre Sprachfertigkeit bewundert wurden. Im Yagir ist das Wort ›Dichter‹ ausgerottet. Statt ihrer findet man Krimischreiber, darunter ganz vorzügliche, die nach der Auszeichnung ›Kulturschaffende‹ streben. Auf dem Weg ins Paradies müssen sie mancherlei lernen, zum Beispiel, wie man in Autorenkollektiven schreibt und seine Einfälle in Redaktionsrunden abstimmt, bis … na bis die Botschaft stimmt. Das ermüdet, auf Dauer gesehen, während die Kohle winkt und winkt und … in der Ferne eine feste Anstellung aufblitzt. Aus diesem und anderen Gründen lesen sie ihren Don unter der Bettdecke und kichern in sich hinein, der Sattelwetzer spricht ihnen irgendwie aus der Seele, aber sie kommen nicht hinterher und letztlich lieben sie ihn auch nicht. Es ist gefährlich, im Yagir zu lieben, nein, es bedeutet Gefahr. Vermutlich deshalb wurde das Wort, wie die anderen, verschoben und bedeutet vor der Hand gar nichts. Viele Wörter im Yagir bedeuten gar nichts. Die Liebe zur Literatur zum Beispiel – oder allgemein zur Kultur – erlischt vor dem homerischen Gelächter, mit dem sie … jetzt nichts anfangen kann … da müsste sie … ja ganz recht … einmal in Muße nachgoogeln, was das nun wieder heißt.
