Um es vorneweg zu sagen: ich habe den Philosophen Einmaul nicht entworfen, damit man sich über ihn lustig macht. Ich habe ihn zünftig entworfen, ein bisschen zu zünftig vielleicht, aber so spielt nun einmal das Leben im Yagir, er übertreibt, wenngleich nicht alles. Einiges, wie gesagt, kehrt er unter den fransenverzierten Teppich, nicht etwa nur die Opfer des Systems, wie gern vollmundig behauptet wird, auch seine Täter, jedenfalls eine bestimmte Spezies unter ihnen. Leute wie dieser Kampfer, die ihre Sonaten auf dem Klavier der sozialen Medien klimpern und den Lohn ihrer dadurch erreichten Bekanntheit in den üblichen Talkshows einfahren, spielen das Spiel mit, wenn sie den Teppich hier und da lüpfen und ansonsten hübsch allgemein bleiben. Den Orgien männlichen Zartgefühls steht eine bittere Realität gegenüber. Hakim hat recht: Yagier sind Freiwild. Die Kehrseite der Allgegenwart von ›M‹ besteht darin, dass der Staat seine Schutzfunktion gegenüber dem einzelnen Bürger aufgegeben hat und die vielen Mini-›M‹s mit einem Achselzucken beiseitetreten, sobald auf den Straßen wieder ›etwas passiert ist‹.
—Was ist denn passiert?
—Keine Ahnung. Was wird schon passiert sein?
Was soll schon passiert sein? Es wogen die Gemüter, es schweigen die Medien, und wenn sie nicht schweigen, so schweigen sie doch. Ein Eintrag in Einmauls Aufzeichnungen lautet:
Indem ich wesentliche Informationen weglasse oder verstümmle oder weggelassene oder verstümmelte Informationen, sollten sie irgendwo dennoch auftauchen, als Falschmünzerei bezeichne und verlange, der Staat oder die ›Zivilgesellschaft‹ solle unverzüglich dagegen einschreiten, schweige ich.
Erinnern wir uns (wenngleich stotternd): Die Zivilgesellschaft, das ist … das ist doch … der Yagir selbst in seiner Überalldaheit, die Tropfsteinhöhle des Staates, dem Motto folgend: Steter Tropfen höhlt den Stein. Auch das hat conformista Einmaul abseits der Öffentlichkeit notiert, im trauten Kämmerlein, das bekanntlich seine Geheimnisse birgt. Als er es niederschrieb, assoziierte er damit noch keine Verkalkung, sondern bloß den ›dringenden Aufbau fester Strukturen‹, für die der Staat, der ewig-alte Leviathan, Mittel flüssig zu machen habe, möglichst unter der Hand, denn:
Nicht alles muss den gemeinen Yagier bekümmern.
Und nicht immer, würde er heute hinzusetzen, liebt das Wortspiel den, der es liebt. Der gemeine Yagier, soviel steht fest, kann ganz schön gemein sein, tanzt ihm die Obrigkeit zu dreist auf der Nase herum. Auch im Yagir gilt die demographische Faustregel, dass Menschen sich mit Vorliebe um das kümmern, was sie, nach den Maßstäben ihrer Hüte-Buben und Hüte-Mädels, nicht zu kümmern braucht. So kommt das Bescheidwissen unter die Leute, ineins mit dem Auf-der-Hut-Sein.