Aesthetica

1

Ein Denker von meinem Gewicht
– sagte man einmal »Rang«? –,
trifft im Grunde immer
auf die gleiche Situation:
Disparität der Verhältnisse,
allerlei Widerstände,
dem stromlinienförmigen Nachwuchs
nicht spürbar. Rundheraus gesagt:
der eingeschnürte
Stolz.
Daran liegt’s.

2

Ströme Geldes, die
diese Gesellschaft durchfluten,
ihr Kanalsystem wässern, sie
treffen unvermutet, werfen
obenauf und aufs Trockene.

Rauschen des Geldes,
das dich umschließt,
immer hörbar,
Stunden und Monate
das Ticken der Uhren tränkend.

Doch das ist
außen. Vielmehr
innen, auf jeden Fall
der Umgebung nicht merklich.
Der Vermieter tut freundlich, die Bank, sie verdient sich
an dir. Leben auf Pump.
Das ist üblich.

3

Meine Titel bereden mich,
offenbare Verführer.
Sie verlangen, ich möge
das Getöse hinter mich stäuben, ich möge
einfach – fast hindert mich Scham, es wiederzusagen –
das Leben des Geistes, ich möge es
leben.

Wie denn? Wäre ich Hirnforscher
oder Gerontologe, ich verlöre
keine Sekunde. Doch
angenommen, ich ginge
ein ins nächtige Denken,
wo nur das Ungedachte
schläfrig hervorstürzt beim Schein der Lampe
und sich schlurfend entfernt,
verdrossen
ob der vergessenen Störung –
von mir bliebe nichts,
über das sich rentierte zu reden. Einer
wäre gegangen und hätte
das Licht gelöscht.

4

Angst: da wäre nicht einer,
dem ich vertraute.
Keiner.
Aber spurlos,
wie hervorgetreten,
verschwunden
und anwesend noch
unvorhanden, verstiegen?
Wind spielt im Haar, eine Katze
schmeichelt dem Knie, Tauben
gurren ohne Verdacht, eine Frau
ordnet die Wäsche, warum?
Warum nicht? Es wäre
wie anderes auch.


Erstdruck in: O.R

Notizen für den schweigenden Leser

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Sie sind essenziell für den Betrieb der Seite (keine Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.