Am Anfang spielen alle mit. Am Ende ist das Schachbrett zerbrochen, die Figuren in alle Winde zerstreut. Der in Dresden zum Un-Schriftsteller gewordene Akif Pirinçci hat es gewusst: Ihr werdet noch alle drankommen. Und sie kommen dran: einer nach dem anderen, eine nach der anderen. Jetzt sind es die Alten, die ohnehin dahinschwinden – an ihnen werden Exempel statuiert. Dem Volk ist es wurscht, es hat andere Sorgen, es hat immer andere Sorgen, man kann beruhigt sein, solange es noch nicht, nach dem abgestandenen Witz, Volker ist. Definitionsgemäß hat es rechts zu gehen und links zu blinken. Das ist bei Schriftstellern nichts anders. Schert einer aus, dann erledigt ihn der Gegenverkehr, den er fälschlicherweise für links hält, weil er die eigene Fahrtrichtung für die einzig gegebene hält. Mit dieser Crux haben sich Aufklärer, die das literarische Metier bevorzugten, zu allen Zeiten herumschlagen müssen. Solange sie es noch wussten, war die Mehrzahl von ihnen mit Freuden links und die Linke wusste sich dieses Vorteils zu bedienen. Heute, da sie, sofern ihnen die Bühne gehört, so viel oder so wenig wissen wie ihre Leser (andernfalls kämen sie erst gar nicht auf die Bestsellerlisten), geht es ihnen wie einst dem Ännchen von Tharau: »Ännchen von Tharau, mein Reichtum, mein Gut, / du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut!« Blut vom Blut eines Verlages zu sein, der irgendwann beschlossen hat, künftig in Eigenarbeit zu denken und seine Autor*innen vor sich selbst zu bewahren, das heißt vor dem, wofür sie glauben geehrt, geschätzt und bezahlt zu werden, wird rasch zum herberen Los als das Blessiertwerden im öffentlich ausgetragenen Meinungskrieg. Dabei konnte es, im Zeichen des grassierenden Identitätswahns, nur eine Frage der Zeit sein, dass sich auch die Publikumsverlage von ihren Schriftstellern emanzipieren würden. Der Hinauswurf ist bloß die fällige Konsequenz. Sollen sie doch als Selbsternannte den Weg alles Irdischen gehen! Aber bitte, am Ende regelt sich alles über Kontaktschuld. Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, wie schon Franz-Josef Degenhardt anmerkte, der mittlerweile wahrscheinlich allein seines Vornamens wegen ›gecancelt‹ würde, vom unterschwelligen Sexismus des Rests ganz zu schweigen. Geistig immer ein wenig unter dem Durchschnitt bleiben gilt im gesitteten Westen schon seit längerem als Ausweis exorbitanter Begabung und damit als Erfolgsgeheimnis. Was Wunder, wenn die solcherart Begabten sich für die geborenen Aufseher ihrer Mitwelt halten. Dabei sind sie, gleichgültig, ob arm, reich oder superreich, doch bloß Ausgehaltene. Wer sagt es ihnen?

Notizen für den schweigenden Leser

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