Ein russisches Kriegsschiff versinkt im Schwarzen Meer, in Brand geschossen, wie es heißt, durch einen feindlichen Marschflugkörper, und im fernen Deutschland knallen die Korken: Schiffbruch mit Zuschauer. Eine Szene aus Nazi-Deutschland? Mitnichten. Eine belegte Stimme erinnert mit Schauder und Mitgefühl an den nassen Tod zigtausender junger Männer, die auf den Weltmeeren auf ähnliche Weise den Tod fürs Vaterland erleiden durften, und gleich empört sich die Rentner-Combo: Renegat! Schuft! Verräter! Die 500 Matrosen sollen alle gerettet worden sein. Genaueres weiß man nicht.

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Provinz ist dort, wo der Klamauk Ernst und der Ernst Klamauk wird. Man durchforste anhand dieser Faustformel Covid-Deutschland und man wird feststellen, dass das, was man ›provinzielles Denken‹ nennt, weitgehend mit dem pan(dem)ischen übereinstimmt. Wie dieses fußt es auf einem seltsam verqueren Weltbegriff, der das Speziellste mit dem Allgemeinsten verkuppelt. Diese Maßnahme – egal welche – ist nötig, denn alle machen es – egal was! –: Das ist die Botschaft jenes ironischen Teufels, der jeder Verwaltung ins Ohr bläst, sie habe die Sache am besten im Griff, und jedem Bürger, dass alles, was geschieht, schon seine Richtigkeit hat, da es sonst nicht geschehen könnte.

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Aus weiter Ferne – oder einer entsprechenden Zukunft – betrachtet, erscheinen die Covid-Maßnahmen gewisser Regierungen wie Maßnahmen zur vorbeugenden Eindämmung von Massenunruhen, ausgelöst durch die Covid-Maßnahmen: ein circulus profitabilis ohne Ende. Jedenfalls ist vorderhand noch keines in Sicht.

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Betrachtet man die öffentlich zugänglichen Teile des Coups, so erkennt man schnell seine im Kern unpolitische Natur. Die Politik durfte die Rolle des schuldig-unschuldigen Tölpels übernehmen und spielte sie mit Bravour. Niemand sollte behaupten, die Rolle liege ihr nicht! Im Gegenteil: Sie erlaubt es ihr, ihre größte Stärke auszuspielen – die Beschäftigung mit sich selbst. Auf Kosten der Bürger, das versteht sich praktisch von selbst.

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Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine wirft die alte Frage nach dem Wesen der Feindschaft auf, die, wie man bis vor kurzem dachte, zumindest in Europa abschließend behandelt wurde: Feindschaft ist Unreife. Europa, dieser Eindruck drängt sich auf, wird durch Mächte, die zu kontrollieren es nicht in der Lage ist, in seine historische Rolle als kriegerischer Kontinent zurückgedrängt, auf dessen Boden einst die großen welthistorischen Konflikte ausgetragen wurden. Man schmeichelt der Eitelkeit und dem Geschäftssinn seiner geistlosen Eliten und lässt die Menschen, soweit betroffen, für wenig mehr als schmutzige Profite bluten. Dieses ›wenig mehr‹ ist größtenteils Illusion.

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Kein Krieg ist ›nichts anderes als‹, er ist immer ›ein wenig mehr‹. Das liegt daran, dass er den ganzen Menschen weckt, seine Wehr- und Triebhaftigkeit, sein Eingespanntsein zwischen Schuld und Sühne, den Eifer für die gemeinsame Sache, so oft sie sich auch immer als ›gemein‹ entpuppt. Vor allem schreckt seine Unentrinnbarkeit: die Unerbittlichkeit, mit der das große Morden jeden, den es erfasst, in seinen Abgrund zieht. Am wenigsten freiwillig erscheinen Kriegsfreiwillige – sie sind schon Opfer, bevor sie die Kampfzone erreicht haben. Wie verächtlich dagegen die Eiferer aus sicherer Distanz, ohne Sinn für die Tragödie, die vor ihren Augen abrollt. Auch sie: Profiteure in jedem Sinn, der den schmutzigen Geschäften anhaftet.

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›Einen Krieg vom Zaun brechen‹ – in dieser Nachbarschaftsformel liegt schon die ganze Zweideutigkeit des Kriegsausbruchs: Wer beginnt den Krieg? Wer die Latte vom Zaun bricht und damit den Nachbarn provoziert? Oder wer sich provozieren lässt und den Zaun durchbricht, um den Garten des anderen zu verwüsten? Kein Historiker der großen Kriege hat diese Frage jemals zufriedenstellend klären können. Soll heißen: Wer immer die Schuldfrage aufwirft, er ist schon Partei und bleibt es auch, gleichgültig, in welche moralischen Posen er sich wirft.