Wer ist der Kerl?
—Hören Sie…
—Ja?
Spitzel? Denunziant? Dummkopf? Provokateur? Alles zusammen? Ein Mensch in seinem Wahn. Das beantwortet zwar nicht die Frage, um welche Art von Wahn es sich hier handelt, aber Justus, zufrieden mit seinem Scharfsinn, schiebt den Rest der Aufgabe von sich weg: Mögen andere sich darum kümmern. Der Kerl, wie er ihn nennt, offenbar ein Parteiarbeiter, gar nicht so übel, gar nicht so übel, man könnte ihm eine amüsante Seite abgewinnen, warum weiß man so wenig über die Menschen? Einer, der an seiner Partei leidet, kommt jedenfalls schon einmal in Betracht. Er selbst … nein, so weit hat er sich nie erniedrigt, ihm genügt das Leiden an Land und Volk. Aber wenn die Partei das Volk ist, dann kann einer auch daran leiden, das geht schon in Ordnung. Draußen, im hellen Licht, liegt das Theater, es liegt darnieder, hingeduckt, eine Raubkatze glotzt dich an, seine Säulen ragen wie Zahnstocher in den Himmel der Träume, der Traum steht links, insofern ist das Bild wieder stimmig. Ein Theatermann, etwas derangiert? Diese hektische Kommunikativität, sie reflektiert das Leiden, insofern macht er hier seinen Job. Cave! Was bist du für ihn? Publikum? Sein Buch, sicher, sein Buch. Klar, dass er damit hausieren geht. Du bist … ein potentieller Rezensent. Was noch? Kritiker. Ja sicher, du bist der Kritiker. Gott, dieser Mann liest dich.
—Sie haben die Genossen verlassen?
—Irgendwie schon. Das ist ein schwieriger Prozess.
—Das will ich glauben. Die Frage bleibt ja: Wen soll man wählen?
—Interessante Frage. Ich würde mal so sagen: Wen soll man abwählen?
—Und? Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?
Es hat schon etwas Lauerndes, was Justus hier treibt. Aber der Fremde lässt sich nicht fangen.
—Wählen, wenn Sie so wollen, ist out. Ich weiß schon, staatsbürgerliche Pflicht und so, aber in Wahrheit regiert ›M‹. Ach Gott, ja, was ist schon die Wahrheit. In Wahrheit … ist das Land unregierbar und deshalb haben wir ›M‹. ›M‹ wie Alzheimer, gutes Bild, bissel verbraucht – ›die Alzheimer-Gesellschaft‹, das würde ich mir an die Wand hängen, aber es hängt da drüben, gehen Sie gern ins Theater? Lassen Sie mich raten, kommen Sie, Sie sind so ein Leonce-und-Lena-Typ, Sie gehen überall hin, wo es Karten gibt. Jetzt mal im Ernst.
Jetzt mal im Ernst. Putziges Kerlchen. Justus schnäuzt sich, ein Altersreflex, sein Thema, das Land ohne Gedächtnis, es stäubt ihn ein, ab hier übernimmt er die Kosten des Gesprächs.