Ich wollte diese Zeilen nicht schreiben, ohne Hakim Gelegenheit zu einer Gegendarstellung zu geben. Gegendarstellungen sind das Salz in der Suppe, sie geben dem toten Fisch Erinnerung den Anteil am Leben zurück, den der Wahrheitshungrige braucht, um sich sagen zu können: Wenn die es nicht wissen, warum soll ich mich krummlegen, um mehr herauszufinden? Alles Quatsch, versichert mir Hakim, erfreut die Gelegenheit ergreifend, den Prozess für ein paar Minuten zu vergessen, er habe dem Auftritt damals keine besondere Bedeutung beigemessen, eigentlich habe er den guten Leuten bloß rhetorisch auf die Sprünge helfen wollen, damit die ihr Anliegen besser ’rüberbrächten, denn daran habe es bei ihnen doch von Anfang an gehapert. Er habe halt gewusst, wie Medienleute ticken, und deshalb – hier neigt sich sein besinnliches Haupt – sei er vielleicht ein wenig unbekümmert in die Vollen gegangen, er habe halt darauf vertraut, dass die Medienleute wüssten, wen sie hier vor sich hätten. Von seiner neuen Klientel habe er damals ja nicht viel begriffen, irgendwie sei er emotional auf ihrer Seite gestanden, habe aber gleich nach den ersten Worten gemerkt, dass da auch einiges an Abneigung ins Spiel gekommen sei. Die Reaktion der Presse allerdings habe ihn getroffen wie … wie … eine Bratpfanne, gefüllt mit heißem Öl, falls ich verstünde. Richtig perfide sei es erst geworden, als sich die Politik eingemischt habe, ich sage jetzt nicht wer, aber das lässt sich ja alles nachlesen, das ist Geschichte. Die Politik habe ihm das Genick gebrochen, zumindest habe sie es versucht, aber ich lebe ja noch. Angst eingejagt habe ihm das alles nicht, er sei auch nicht sonderlich gekränkt gewesen, eher maßlos verwundert, denn eigentlich habe er sich doch der üblichen Spielformen der Literatur bedient, um ein bisschen Empörung abzulassen, das ganze polemische Pipapo. Und zwar im Rahmen der bis dahin geltenden Spielregeln… Das sei womöglich etwas naiv gewesen. Kein Schwanz habe ihn davon in Kenntnis gesetzt, dass über Nacht irgendwer die Regeln aufgehoben hatte. Bis heute würde er liebend gern wissen wollen, wer das wohl damals veranlasst habe und mit welchen Mitteln. Plötzlich stand ich da mit einer Klientel, die mich nicht wollte, und einem absolut feindseligen Mob, der mich aus dem Beruf fegte. Ich bin ja selbst ein Eingewanderter, eigentlich hätte ich kulturelle Immunität beanspruchen können. Aber für was? Dafür, dass ich eine Meinung buchstäblich zum Ausdruck gebracht hatte? Immerhin habe es sich um Volkes Meinung gehandelt, seine Stimme sei also in diesem Fall so etwas wie Volkes Stimme gewesen, etwas Heiliges, mit demokratischen Augen betrachtet, so etwas nehme man nicht zurück, es sei denn… Aber es habe ihn ja auch niemand mit der Forderung angegangen, er solle irgendetwas zurücknehmen. Sein Eindruck, pardon, sei gewesen, dass alle Welt sich erleichtert zeigte, ihn haste was kannste los zu sein, in ein übelriechendes Ichsagsnicht zu verstoßen, es sei wie ein plötzlicher Abgang gekommen, er kalkuliere nun einmal in naturalistischen Bilder. Überhaupt, im Nachgang würde er seine damalige Rede viel drastischer halten. Damals habe ja alles noch in blitzblauer Zukunft gespielt, was sich seither ereignet habe, habe man sich damals noch gar nicht vorstellen können.

Sie haben mir alle Gründe der Welt geliefert, ohne dass ich darum nachgesucht hätte.

Schmallippig, spitz geradezu klingt das, was er da vorbringt. Es fehlt die gewohnte innere Musikalität, nicht zu reden vom Charme des erfolgreichen Autors.

 

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