Wie ist das, wenn dir die Macht gegenübersteht, die reine, verhohlen-unverhohlene Macht, die nicht diskutiert, die nicht zu diskutieren wünscht, stattdessen als Beherrscherin aller Diskurse auftritt? Man kann sich der Frage praktisch stellen wie Hakim, der arme Hakir, der unverbrüchlich darauf vertraut, dass die Literaturgeschichte ihn retten wird, und sei es aus dem alleinigen Grund, weil er seinen Weinberg bestellt hat, man kann sie theoretisch-spitzfindig angehen wie der Don, der dazu bloß eine Flasche ausgesuchten Kerner in einem einsamen Berggasthof benötigt … man kann aber auch – unverhofft kommt oft – mit der Wucht eines Taifuns von ihr erfasst werden, wie es Einmaul geschieht, dem ein einzelnes Wort zum Verhängnis wird: Lügenwelt. Er hatte es wirklich gebraucht, ich habe mich nicht getäuscht. Es war ihm durchgerutscht. Nach dem Eklat im Studio wird es von aller Welt herausgeholt, als habe er nie von etwas anderem gesprochen: Lügenatmosphäre in einer Lügenwelt. Es war ihm durchgerutscht, weil er es eigentlich – eigentlich kennt seine geschliffene Rede kein ›eigentlich‹, alle Rede ist uneigentlich, aber an Punkten wie diesem… –, weil es eigentlich für sein nächstes Buch vorgesehen war, ein Buch über Mythen der Kindheit, das er schon längst einmal schreiben wollte. Die Vorstellung, dass die Welt eine einzige Lüge sei, ein Blendwerk des Teufels, gehört zum Stock seiner frühen Prägungen. Am liebsten hätte er sie von seiner Mutter empfangen, zusammen mit einem Gutenachtkuss, ganz wie bei Proust. Aber er kann sich nicht daran erinnern. Über Jahre hat er, in Bibliotheken stöbernd, sein Bildmaterial zusammengetragen – darunter Phantastisches, Gruseliges, Zauberhaftes –, und jetzt das: Das herrschende Klima ist da sehr rigide geworden. ›Frau Welt‹ – undenkbar. Einmaul cancelt das Motiv schweren Herzens. Allerdings muss er erfahren, dass solche Entschlüsse immer zu spät erfolgen. Das Unglück ist bereits über ihn gekommen und frisst sich durch. Anders kann er die Folge der Abschaltungen nicht beschreiben, an deren Ende, das fühlt er ganz deutlich, von seiner mühsam geschaffenen Omnipräsenz nichts weiter übrig bleiben wird als ein Knäuel wüster Erinnerungen in den Gehirnen alternder Männer, über die alle Welt längst zur Tagesordnung übergegangen ist.

 

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