Stigmatisierte in aller Welt wissen: Beglaubigungsrituale sind der Kern der Botschaft. Wer die Wundmale trägt, muss sie zeigen. Insgeheim aber muss er Sorge tragen, dass die Glaubensbereiten zu ihm kommen, denn es schickt sich nicht, den Menschen hinterherzulaufen, wenn man zu den Auserwählten gehört, an denen es sich zeigt, das Zeichen des Herrn, das handfeste Emblem der Erlösung: The Real Thing. Deshalb ist es ganz in Ordnung, dass ein Kranz von Zweiflern sich um sie bildet, die immer wieder aufs Neue überzeugt werden wollen. Die Stigmata kommen und gehen nach einem geheimnisvollen Rhythmus, aber die Erwartung, die gestillt werden will, bleibt. »It’s real!« – blickt man in die gespenstisch leeren Transportabteile des öffentlichen Nahverkehrs oder die trüben Schlünde weitgehend kundenfreier Cafés und Restaurants, dann ahnt man, wie in anhaltenden COVID-Zeiten sich das Leben an den Regularien der ›Botschaft‹ ausrichtet. Stigmatisiert sind die öffentlichen Räume als Träger des Unheils, vulgo: des Bösen, das unter den Menschen umgeht und sich seine Opfer sucht. Und auch hier bilden die Verstreuten, die man erblickt, eine Corona der Zweifler. Prüfende Umsicht im Blick, angetan mit Amuletten, die das Unheil bannen sollen, mimen sie Unbehelligte, die nicht behelligt sein wollen, vor allem nicht von der Ängstlichkeit, die an ihnen nagt. Sie wären die ersten, die sich beim kleinsten Signal überzeugen ließen – innerlich gerade so bereit zur Umkehr, wie sie sich äußerlich gelassen und ein klein wenig aufsässig geben. »Herr, gib uns ein Zeichen, ein kleines nur, aber unwiderleglich müsste es sein!« Zahlen und Statistiken geben zwar eine verlässliche Basis, doch sie müssen von kundiger Seite gedeutet werden und darin liegt die Crux. Alle christliche Frömmigkeit begibt sich nach Zeiten der Ekstase zurück in die Hände der Priester, deren Hauptsorge darin besteht, die Schäflein vor den Irrwegen der Sektierer zu schützen.

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