›Streichkultur‹ – bei diesem Wort denkt man in Deutschland eher an symphonischen Wohlklang als an die in diesen Tagen von amerikanischen Intellektuellen brieflich gerügte cancel culture, die Kultur des Weglassens von allem und jedem, was Kultur seit jeher ausgezeichnet hat, soll heißen des Widersprechenden und Widerständigen: eine gewisse Unbedarftheit in Sachen Wortpolitik spricht daraus, die lieber nachplappert als sich etwas Eigenes zuzutrauen, aber auch ein gewisses Wissen darum, dass es sich bei den genannten Methoden um Unkultur at work handelt, um Kulturfeindschaft, um genau zu sein, um politisch-gesellschaftliche Durchdrückerei um jeden Preis, und sei es den des Verstandes, der guten Sitten und, selbstverständlich, der elementaren Redlichkeit. Nun dürfen wir also … was eigentlich? Darüber diskutieren, ob mit diesem Brief alles rechtens und statthaft sei. Das wirft die Frage auf, wer sie eigentlich sind, die uns diesen sinnlosen Disput aufs Auge drücken wollen, sowie, nebenbei, wer wir wohl sein sollen, die auf diese Weise auf Corona-bedenkliche Tuchfühlung zusammengedrückt werden sollen. In dieser Frage steckt bereits das ganze Dilemma: Im erreichten Stadium des rapide aufrüstenden Mitläufer-Staates muss auch die Sinnlosigkeit arbeiten, und nicht zu knapp. Das ganz Blöde muss es schon sein, an dem jenes künstlich geschaffene Wir aus Mitmenschen sich abarbeiten soll, die eben noch als denkende Forscher, Fachleute, Schriftsteller, Publizisten, Meinungsmacher (warum denn nicht?), Meinende, Wohlmeinende und Andersmeinende den öffentlichen Raum bevölkerten, um in distanzierter Gemeinsamkeit das herzustellen, was man gemeinhin eine angeregte Atmosphäre nennt. Was aber ist das ganz Blöde? Nun, diese Frage lässt sich nicht so leicht beantworten … es sei denn, man hat noch den Klang scheppernden Blechs im Ohr, das die Jugend der Welt in den letzten Tagen von seinen angestammten Sockeln holte. Auch lohnt es sich immer, den Apologeten des Maulkorbs dorthin nachzugehen, wo Bartel den Most holt. Man lernt dazu.

Im Ernst: Nein, es handelt sich nicht um Brot und Spiele – mit denen die Obrigkeit das Volk im alten Rom ruhig hielt –, es handelt sich um die brotlosen Späße des tabugesättigten, seine Gedankenleere mit Schäbigkeit kaschierenden, in langweiligen Kommunikations-Seminaren herangezüchteten pseudo-politischen Verstandes, die aus den letzten übriggebliebenen (und, da Intelligenz unausrottbar zu sein scheint, stets neu hinzutröpfelnden) Intellektuellen Aussätzige machen sollen, Unberührbare, und zwar, wie es sich gehört, auf allen Seiten. Cui bono? Gute Frage, vielleicht etwas zu intellektuell, zu … anspruchsvoll, um gerade jetzt gestellt zu werden. Deutschland ist nicht Amerika. Wobei einer, der lange geschlafen hat und sich den Sand aus den Augen reibt, fragen könnte, welcher Seite die handlich in gesinnungsfrommen Entrüstungs-Kollektiven zusammengefassten ›Kulturschaffenden‹ wohl realiter angehören – weder links noch rechts noch oben noch unten zu Hause, könnte man sie ruhig als Nichtigkeiten-Schaffende apostrophieren, vielleicht als Nichtsschaffende, denn auch das Nichts muss erarbeitet werden, vorher ist es nichts. Immerhin, sie schaffen das – und zwar, wie man immer wieder hört, mit links. Na dann…

 

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