Zu den Wissensparadoxa muss auch gezählt werden, dass die Repräsentation von Rationalität besser zu funktionieren scheint als ihre tatsächliche Ausstrahlung. Offenbar fällt es Menschen leichter, der vollmundigen Beteuerung zu folgen, die Dinge seien sauber erkannt und bewiesen, als sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen. Das ist verständlich, weil Denken durch Widerstände führt, anhand derer es sich erst als wirkliches Denken erweist. Hier liegt das Einfallstor für Falschmünzereien aller Art, leider auch für jene spezielle Abart des blinden Glaubens, die sich für aufgeklärt hält, weil sie auf der richtigen Seite zu stehen meint. Das Problem ist alt und wird die Menschheit begleiten, solange es Wissenschaft gibt. Inzwischen schlägt sie sich mit Derivaten desselben Problems herum: Journalisten-Darsteller, von denen es draußen heißt, sie folgten einer politischen Agenda, obwohl sie nur die entsprechenden Posen zur Schau stellen, grenzen wirkliche Journalisten aus und stellen sie besinnungslos an den Pranger, desgleichen wirkliche Komödianten und, man höre und staune, wirkliche Wissenschaftler, obwohl Journalisten von Berufs wegen nun wirklich nichts von Wissenschaft verstehen. Wo findet man wirkliche Wissenschaftler, wenn nicht in den Medien? Im Labor? Dort auch. Man findet sie in der Wirklichkeit der Labors, was nicht bedeutet, dass dort eine Atmosphäre herrschte, die wirkliche Wissenschaftler hervorbringt – Forscherpersönlichkeiten, welche die entscheidenden Fragen ihrer Disziplin anpacken und zu den Ergebnissen stehen. Aber wer spricht von Laborluft? Kritiker des Wissenschaftsbetriebs machen es sich regelmäßig zu leicht, wenn sie für gesellschaftspolitische Irrläufe der Wissensgesellschaft ganz bestimmte Fächer und Fächergruppen, besonders gern die Kultur- und Sozialwissenschaften, verantwortlich machen. Servilität, Karriereplanung und Drittmittelabhängigkeit sind keine Besonderheiten einzelner Fachrichtungen. Zugunsten der Kulturwissenschaften könnte man anführen, dass den in ihnen Tätigen ›zur Not‹ eine Bibliothek und ein Schreibgerät reichen – in Wahrheit wäre es ungerecht, hier von Not zu reden, denn es ist Reichtum. Wer seinen Ansatz begraben muss, sobald ein teurer Projektplan nicht genehmigt wurde, ist abhängiger als jeder Geisteswissenschaftler. Und diese Abhängigkeit reicht bis in den Kern seiner Wissenschaft. Es gibt da kein ›Residuum‹. Es gibt, wie in diesen Tagen wieder zu bestaunen, das Alter … und die heftige Reaktion derer, die im Geschirr laufen: so einer sei ›draußen‹, egal, wie groß sein Verdienst und wie ausgebreitet sein Verständnis der anstehenden Fragen auch sein mögen. Hin und wieder ist es besser, draußen zu sein: die Luft ist frischer und das unabhängige Denken freut sich an jeder Bewegung. Zu den vielen Routinefehlern der Politik gehört, dass sie auf diesem Ohr taub ist. Was nicht ganz stimmt, sonst wäre die Angst, mit den Falschen erwischt zu werden, nicht gar so groß. Beispiele? Ach Gott…