Es konnte nur eine Frage von Wochen, ja Tagen sein, dass ein führender Politiker das social distancing, das regierungsseitig verhängte, seuchenhygienisch begründete Abstandsgebot, auf die gedankliche Hygiene ausdehnen und geistige Distanzierung von Mitmenschen fordern würde, die den Maßregeln der Regierungen, wie immer sie ausfallen, kritisch bis abweisend gegenüberstehen. Natürlich kann man sagen, dass Distanz am Ursprung aller geistigen Tätigkeit steht: Wer den Schritt zurück nicht gehen kann, der nötig ist, um eine Sache in Augenschein zu nehmen, der wird selten oder nie in der Lage sein, Sachverhalte zu unterscheiden, vor allem dann, wenn sie etwas komplexerer Natur sind. Aber was ist schon einfach? Nichts ist einfach, es sei denn, man betont den Satz auf der Kopula, und selbst da gilt: Nichts ist einfach, soll heißen, alles ist, in der Realität und im Denken, dem wir den Gedanken der Realität verdanken, verwoben und irgendwie übergängig, ja übergängig: Es ist da-und-fort, um es in einen anspruchsvolleren Ausdruck zu packen. Doch mit dem Fortsein hat es, zumindest in der Realität, eine eigene Bewandtnis: Es kann dauern… So wirkt auch diese Politiker-Rede mehrfach gezinkt, obwohl sie in ihrer bodenlosen Einfachheit wiederum Maßstäbe setzt. Es ist schon ein Unterschied, ob man Gedanken distanziert (und differenzierend) gegenübertritt oder ob man sich ›besser‹ von ihnen fernhält. Und es ist ein weiterer Unterschied, ob man dies nur gegenüber Gedanken oder gleich gegenüber Gedanken-, sprich: Informationsquellen praktiziert, wo immer man sie findet oder finden könnte, denn – nichts Gewisses weiß man nicht. Woher soll man es auch wissen? Hier tritt es einmal mehr in Erscheinung, das alte ›eritis sicut deus‹ mitsamt der Warnung, es nicht darauf ankommen zu lassen, nur dass diesmal nicht DER HERR, sondern der demokratisch gewählte, ansonsten geschlechtsneutral positionierte Landesvater das Tabu über die Früchte am Baum des Wissens ausspricht: Überlasst das Wissen den Wissenden, denn die wissen Bescheid. Wer aber die Wissenden sind, darüber entscheidet die Politik, das heißt unsereins. Er könnte auch gleich hinzufügen: Wer, aus schierer Unkenntnis der vorhandenen Positionen, keine Wahl zu treffen weiß – wen, wenn nicht uns, soll der wählen? Nun weiß jeder, wie die Geschichte im Paradies ausging, auch die Politik weiß es. Deshalb geht sie den entscheidenden Schritt weiter, den DER HERR weise ausließ: Sie tabuisiert Menschen. Man könnte auch sagen, sie grenzt sie aus, sie isoliert sie, sie stigmatisiert sie als ansteckende ›Kranke‹. Jedenfalls versucht sie es, und dass sie es im Zeichen des Virus versucht – einmal mehr versucht, muss man der Gerechtigkeit halber hinzufügen –, spricht zwar dem Grundgesetz Hohn, das es untersagt, in seinem Geltungsbereich Unberührbare auszuweisen, demonstriert aber deutlicher als vieles, in welchem Maße die Viral-Definition des Denkens und die daraus abgeleiteten Bekämpfungsregeln die Köpfe der Macht-Inhaber beherrschen. Das funktioniert in UNO und WHO offenbar nicht anders als im heimischen Machtstadel. Betrachtet man die öffentlichen Reaktionen auf diese gezielte Entgleisung, dann … ja dann … begreift man zwar nicht das volle Ausmaß der gesellschaftlichen Verrohung, aber man darf sie, mit Goethe zu sprechen, an ihrem Abglanz studieren.