Ich habe mich oft gefragt (und werde die Frage vielleicht unbeantwortet mit ins Grab nehmen), ob nicht die Grünen meiner Generation, die fleißigen Kämpfer unter dem wachen Aufseher-Blick ihrer 68er Vormünder ebenso wie die ›irgendwie‹ grün Gesinnten außerhalb des Parteienpferchs, als getreuer Spiegel jener ›faschistischen Massen‹ betrachtet werden können, die in den Zwanziger und Dreißiger Jahren den Aufstieg der totalitären Systeme ermöglichten. Das ist ein etwas anderes Thema als das der ›rotlackierten Nazis‹ unter den 68ern, bei dem es eher um Methoden- (»Terror«) und Themenkonstanz (»Antisemitismus«) ging, auch wenn Technikfeindschaft im Dienst der ›Natur‹ und ein durch bloßen ›Switch‹, also ein simples Umlegen des ideologischen Schalters gewonnenes Weltbild (»libertäre Antibürgerlichkeit«, »nationaler Selbsthass«, »Multikulti«, »grenzenlose Gesellschaft«) zur Nachdenklichkeit bewegen. Im gegebenen Fall handelt es sich eher um Psychologie. Es ist schon auffällig, dass, neben Individual- und Gruppenpychologie – von den klassischen Ladenhütern Massen- und Völkerpsychologie einmal abgesehen –, der Platz für eine gediegene Bevölkerungspsychologie bis heute leer blieb. Aber die Leute leben nun einmal nicht nur in Gruppen, sie leben in erster Linie als Leute unter Leuten. Das variiert zwar nach Stadt und Land, nach Regionen, Nationalitäten und Lebenszufall, aber es wird kreuz und quer ergänzt und überschrieben durch Erfahrung und Kommunikation. Wer neugierig ist, den erwartet hier ein buntes Gemisch aus mehr oder weniger anonymen Erlebnis- und Strategiemustern im Horizont der erlebten Welt. Faschistische – also unduldsame, auf Gleichrichtung und ›Veränderung‹ drängende – Massen entstehen nicht daraus, dass irgendwer eine Fahne schwenkt und Parolen brüllt. Andererseits orientieren sie sich, einmal aus unerforschten Dispositionen zur Realität erwacht, an solchen Ballungen, sie kleben an ihnen und lassen sie zu irrationalen Beherrschern der polit-ideologischen Szene aufsteigen. Irgendwann sitzt ihr Personal in jedem Haushalt unsichtbar oder ›in effigie‹ mit am Tisch, selbst wenn es dort aktuell nur um die Hausaufgaben des Nachwuchses geht. – Unter der gegenwärtigen Regierung scheint sich das analoge ›Experiment‹, beifällig befördert durch die bewährten Lenkungsinstitute des Staates und ihren publizistischen Hofstaat, in der Folge-Generation zu wiederholen. Anders allerdings als im Westdeutschland der Achtziger Jahre wird diesmal der Wille eines Parteienkartells spürbar, den in Teilen der jüngeren Bevölkerung entflammten Wunsch nach mehr Regeln, mehr Vorschriften, mehr Staat, mehr Bevormundung, mehr gelenkter Information, mehr Ausgrenzung, mehr administrativen Eingriffen in die Wirtschafts- und Privatsphäre für ein etabliertes Machtzentrum arbeiten zu lassen: Die Eliten schaffen sich scheint’s eine kritische ›Masse‹ nach ihrem Bilde, hässlicher zwar und vor allem ärmer an Beutel und Verstand, dafür jedoch praktisch, wenn es um die Durchsetzung weitreichender Pläne geht, die man gegenwärtig noch im Schmalzsprech kommuniziert. Sie werden schon deutlicher werden.