»Nehmen wir also«, sagte der Mann mit der Maske – er brummte es eher, doch das ging wohl aufs Konto der Maske –, »nehmen wir ein Infektionsgeschehen (scheußliches Wort, aber sei’s drum) mit einer Mortalitätsrate von, sagen wir, 0,3 Prozent, das hieße, in die Alltagssprache der hiesigen Trinker übersetzt, dass von soundsoviel Infizierten im Durchschnitt drei Promille sterben –: dann müsste ein Mediziner, der seine Aufgabe ernst nimmt, sagen, okay Leute, das sind erst einmal – nicht nur, aber in der überwiegenden Anzahl – alte Leute mit einem angeknacksten Immunsystem und der einen oder anderen ins Gewicht fallenden Vorerkrankung, so dass man fairerweise, bevor man weiterredet, die allgemeine, ziemlich nichtssagende Mortalitätsrate durch eine dem Gefährdungsgrad angepasste Stufenrate ersetzen sollte … das vorausgesetzt, wird aber ein anderer Punkt interessant. Wie setzt sich so eine Mortalitätsrate in der Sache zusammen? Zweifellos gibt es da dieses biologische Faktum, dass Menschen an Krankheiten sterben, vorzüglich dann, wenn ihnen nicht geholfen wird, im Prinzip ist das nie ganz auszuschließen, am Ende erwischt es alle. Der zweite Faktor, bei Infektionskrankheiten natürlich mega-wichtig, wären die Übertragungswege, die einfach aus unserer Lebensweise resultieren – auch da gibt’s eine Stellschraube, einiges lässt sich ändern, anderes nicht, unsere Politiker scheinen ja seit Monaten wahre Spezialisten im Ausbaldowern immer neuer Varianten zu sein. Doch der dritte Faktor bleibt bei alledem meist außer acht. Dabei wäre er, richtig gewichtet, der allerwichtigste. Ich persönlich nenne ihn den medizinischen Panikfaktor, aber bitte, denken Sie sich etwas aus. Stellen Sie sich vor, da draußen wird ein neues Virus entdeckt, die Virologen sind aus dem Häuschen, die Epidemiologen stecken sich bei ihnen an und geraten in weltweite Erregung, die Zeitungen tragen es weiter und schüren kräftig mit, wie kommt das an? Wie kommt das unten bei den Ärzten an? Wie kommt das in den Krankenhäusern an? Es gibt so viele Viren auf diesem Planeten, eines gefährlicher als das andere, aber wenn einmal das Gerücht umgeht, dieses hier sei eine echte Unbekannte, ein Killervirus, gegen das kein bekanntes Mittel helfe, dann herrscht Panik auf den Fluren und bei den Patienten und es häufen sich die Fehler, die dann, bei entsprechendem Potential, die Mortalitätsrate in die Höhe treiben, sagen wir zum Beispiel, auf acht Prozent oder auf acht Promille, je nach Ausstattung, Ausbildung und kultureller Verortung des behandelnden Personals, da kann es gewaltige Unterschiede geben. Wenn also unser Obervirologe oder unser twittergeiler Oberkasper von der XY-Partei zu einem bestimmten Zeitpunkt t1 oder t3 oder t5, zu dem die Mortalitätsrate auf jene besagten 0,3 Prozent oder sogar darunter gesunken ist, weil die Ärzte sich inzwischen auskennen und sich herumgesprochen hat, wie man die Sache am besten therapiert, mit drohender Gebärde eine amerikanische Studie schwenkt, in der plötzlich ein signifikant höherer Mittelwert, sagen wir von 0,8 Prozent, behauptet wird, als sei damit die Bestie wieder frei, dann ist diese Aussage nutz- und wertlos, solange der Bote nicht angibt, ab wann dieser Mittelwert berechnet wurde und ob man den zum Zeitpunkt t0 allgegenwärtigen Panikfaktor auch sorgfältig eliminiert hat. Sie wissen, das ist, wie Menschen und ihre Verhältnisse nun einmal gestrickt sind, keine einfache Sache, man kann den Schnitt praktisch überall setzen, wo man ihn haben will, man kann auch die Daten in und aus unterschiedlichen Studien und Ländern und Hotspots nach Lust und Laune gewichten, es finden sich immer Gründe, vor allem, wenn man sie brauchen kann. Brauchen Sie Gründe? Ich liefere sie Ihnen.«

Sprach’s und verschwand in der Menge. Mit solchen Leuten muss man neuerdings rechnen. Tauchen auf und verschwinden. Ein vernünftiges Gespräch über Staubsauger ist da kaum noch möglich. Bin ich Politiker? Bin ich krank? Wann wird dieser Wahnsinn enden?