Die Aktualität … das ist ein Momentbild der Spiele, welche die Macht mit sich selbst spielt.

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Aktualität ist nicht alles. Vergleicht man die innere Verfassung von Menschen, die in ihr aufgehen, dann merkt man bald: Sie ist nicht der beste Teil der Wirklichkeit. Die einfachste Weise, den Menschen zu depravieren, besteht darin, den Aktualitätsdruck zu steigern.

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Menschen werden krank, wenn man sie zwingt, in der Gegenwart zu leben.

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Zeitgenossen, die in der Zukunft leben, sind unerreichbar. Nicht unbedeutend der Zusatz: für die Vernunft. Die Vernunft ist das Steuerorgan des Einzelnen in der wirklichen Welt.

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Die tierische Wirklichkeit der anonymen Impulse ist gestaltlos. Was ist eine gestaltlose Wirklichkeit? Eine, die nach Gestaltung, d.h. Menschlichkeit verlangt. Niemand kann an der Natur Maß nehmen, der nicht weiß, was er will. Wenn schon nicht er, dann die Gemeinschaft, die für ihn denkt.

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Kein Mensch kann aus seiner Haut (es sei denn, ein Feind hilft ihm heraus).

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Der biologische Mensch stellt den Körper, die Kultur das Design. Ein Design, in dem der Körper verlorengeht, nennt man Lachnummer.

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Der gengesteuerte Mensch ist eine Vorstellung. ›Wir‹ sehen ihn so. ›Wir‹ können ihn nur so sehen, da die aktuellen Instrumente ihn uns so zeigen. Schalte die Geräte aus und er ist zuverlässig verschwunden. Schalte die Geräte an und er ist zuverlässig wieder da. – So zu denken macht diese Sicht nicht weniger wirklich. Es stellt sie bloß ins Licht der Betrachtung.

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Geisteswissenschaften: Versuche, den Geist in der Maschine zu erraten. In der Praxis heißt das: ihn zu verraten. Darin ist man sich mit den Feinden der Zunft einig.

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Realismus gegen Ideologie: So hätten sie’s gern. Und schon sind sie Gefangene … einer Ideologie.

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Der Mensch lenkt, KI denkt. So stellen die Hersteller der KI sich die Zukunft vor. Gleichzeitig streuen sie Angst davor, es könne eines nahen Tages umgekehrt sein: Der Mensch denkt, KI lenkt. Das Ende der Vorstellung, in der Computerwelt Gott zu spielen, kann nur Menschen ängstigen, welche die ›Dialektik‹ von Herr und Knecht auf ihr Verhältnis zur Computerwelt übertragen haben. Wie jede Angst vor Kontrollverlust lässt auch diese ebenso sehend wie blind werden: sehend in Bezug auf die eigenen Defizite, blind in Bezug auf den Motor, der hinter jeder Technologie sein Wesen treibt – den Herrschaftswunsch der Wenigen, die nicht im Traum daran denken, das Heft aus der Hand zu geben, weil sie es gar nicht können, ohne dass die Welt der Technik zusammenbräche.

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Die Verdoppelung der Geschichte durch Modelle: Man modelliert Zukünfte, um sie zu verhindern (oder herbeizuführen). Der wahre Kipppunkt der Märchenstunde liegt im ›Erwache!‹ Aber Geschichte ist kein Traum, in den hinein ein Wecker schellt. Der Mensch in der Geschichte kennt kein Erwachen.

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Man kann Gesellschaften das Geschichtsgift einträufeln, aber man kann die Körper nicht daran hindern, sich dagegen zu wehren. Soll heißen, die Modellierer der Geschichte verfügen nur über begrenzte Zeit. Danach werden sie entsorgt.

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Man kann den Leuten nicht einreden, sie hätten früher mehr gefroren als heute. Man kann ihnen nur einreden, sie hätten sich dabei wohler gefühlt. Fühlen sie sich erst einmal unwohl, kann man ihnen alles einreden. Sie wollen nur heraus aus ihrer Haut.

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Das Fell über die Ohren ziehen: eine probate Weise, den ideologischen Juckreiz für sich arbeiten zu lassen.

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Eine Regierung, die den Sirenengesängen der Weltuntergangspropheten folgt, ist … eine Regierung.

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Geschichtsnull: Null mit beliebig vielen Stellen.

 

Notizen für den schweigenden Leser

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