Ein paar Leute mit öffentlichen Gesichtern schreiben und reden den Dritten Weltkrieg so geläufig herbei, als hätten sie sich darin ein besonders warmes Plätzchen gesichert. Offenbar handelt es sich um Menschen, die auch sonst mit sich einig sind.

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Plötzlich gerieten wir ins Tal der Furcht, bloß um festzustellen, dass wir schon immer darin gelebt hatten.

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Inszenierte Konflikte kennen viele Treiber, die selber Getriebene sind – gut inszenierte Konflikte den einen Treiber, der sich unter den vielen Getriebenen verbirgt, die sich selbst für Treiber halten und es wohl auch sind. Der Streit darüber, wer dieser eine wohl sein (oder gewesen sein) mag, kann Jahrhunderte andauern. Ginge es nach dem Willen der Sieger, so wäre es stets der Unterlegene. Zu ihrem Pech ist diese Variante intellektuell unergiebig und daher in der Regel ein Flop.

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Die gegenwärtige Präsidentschaft des westlichen Hegemons scheint dem inneren Zirkel der Macht ein window of opportunity geöffnet zu haben, dessen Schließung um jeden Preis verhindert werden muss.

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Um jeden Preis: Unsichtbare Hände haben die Boxen, deren Inhalt so geheim ist, dass der Ex-Präsident, zu dessen Gebrauch er angefertigt wurde, ihretwegen vor Gericht steht, geöffnet, ihren Inhalt durchwühlt, die Reihenfolge verändert, Umschläge entnommen, andere hinzugefügt…: und der Prozess nimmt seinen Fortgang, als sei nichts geschehen und als habe niemand Zugang zu all den Staatsgeheimnissen besessen, bevor das neutrale Richterauge auf ihnen ruhte – außer natürlich das diensthabende Personal, dessen Wahrnehmungsabstinenz außer Frage steht.

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Immer wieder erstaunlich, wie gut offene Wählerverhöhnung beim Wahlvolk ankommt. Der Chor der Beleidigten bleibt letzten Endes doch bloß: Gemurmel.

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Elementare Eigenschaft der Medien: den Betrachter zu blenden. Entweder er blickt durch sie hindurch, ohne sie zu bemerken, oder die Faszination bewirkt, dass er nur noch das Medium sieht – und sonst gar nichts, wäre man versucht zu sagen, bliebe nicht immer ein Rest. Bildlich gesprochen ähnelt das dem Dualismus von Teilchen und Welle: Es fehlt der Blick, der beides vereint. Die Neuen Medien wären nicht neu, steigerten sie diesen Effekt nicht aufs Äußerste.

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Gewöhnung schleift manches ab, aber sie tastet den Kern des Dilemmas nicht an. Auch Medien wollen beherrscht sein. Kein Wunder also, dass die spannendsten Kämpfe um Medienmacht ausgetragen werden. Auf Freibeuter folgen Eroberer, auf Eroberer Bürokraten, auf Bürokraten –

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Die Menschen joggen in ihren Untergang, Hauptsache, dass irgendwo die Sonne aufgeht. Wer das versteht, versteht auch das Bibelwort: »Die Sonne scheint über Gerechte und Ungerechte.« (Matthäus 5,45)

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Sickert Herrschaft ins Volk, denken sich die Mächtigen neue Spielchen aus. Die Stunde der Trendumkehr naht, sobald neue Techniken die Routinen aufmischen. Merke: nicht Techniken, sondern Praktiken machen das Rennen. Wer an der passenden Stelle sitzt und über die nötige Macht verfügt, kann Technik auch anhalten – solange jedenfalls, bis die Übermacht des Marktes sich durchsetzt. Sieger bleibt, wer den wirksamsten Gebrauch von der Technik macht. Differenziert der Gebrauch sich aus, werden die Siege zahlreicher und damit relativer. Zu Beginn und zum Ende hin ist das Rennen offen.

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Naives Pferdekotzen. ›Man hat schon Pferde kotzen sehen‹ – Wahlspruch von Leuten, die mit dem Unwahrscheinlichen ›kein Problem‹ haben, aber nicht glauben wollen. Ein anderer Spruch aus diesem Register: ›Wer’s glaubt, wird selig.‹ Aber das ist schon Hohn und Spott und setzt selbst eine Art Naivität voraus.

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Neue Herrschaft ist stets zum Fürchten. Jede neue Furcht bringt Jubler in Lohn und Brot.

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›Totalitarismus = Massenwahn + Verschwörung(stheorie)‹. Was an dieser These überzeugt, ist gerade ihre Achillesferse. Sowohl ›Massenwahn‹ als auch ›Verschwörungstheorie‹ sind keine analytischen Begriffe. Es sind massengängige Denunziationsformeln, deren ehrlicher Gehalt längst das Zeitliche gesegnet hat. Das eine ist Psychologie von anno dunnemal, das andere ein Zauberwort aus der Trickkiste von Demagogen. Man wundert sich immer wieder, wie hartnäckig die schreibende Zunft sich der Aufnahme von Girards Sündenbock-Mechanismus in ihren Theorie-Vorrat verweigert. Dabei zählt die Rede vom Sündenbock zu den geläufigsten.

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Massenpsychologie setzt die Existenz einer Masse voraus. Eine beliebige Menge von Menschen, die, um den Globus verteilt, an ihren Computern sitzen oder an ihren Smartphones fummeln, ist keine Masse. Der Mechanismus, der sie analog zur Massenpsyche bewegt, ist großenteils Mimesis. Zur Mimesis gehört die Überbietung. Damit setzt sich der Tross in Bewegung.

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Man kann alles zum Sündenbock machen, selbst Wörter, deren Bedeutung zweifelhaft bleibt. Wichtig ist allein, den passenden Hüter zur Hand zu haben. Sprich dieses Wort aus und du bist geliefert. Nach diesem Motto wird Nonsens leicht tödlich, vor allem dann, wenn auch Gerichte mitspielen.

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Der Sündenbock ist der Universalschlüssel der Kultur. Der Grund dafür ist so einfach wie kompliziert: Kultur weiß ›immer schon‹ Bescheid. Diesen Bodensatz an Primitivität wird sie niemals los.

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Auch Opferrituale beruhen auf Mimesis. Sie bilden etwas nach und schmücken es aus, das selbst nicht in die Klasse der Rituale fällt. Das ist das ›wilde‹ Opfer, das aus der Besinnungslosigkeit kommt, sosehr die Beteiligten auch beteuern, sie hätten sich etwas dabei gedacht. Und das haben sie wirklich.

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Girard ist Hermeneut. Das überfordert die Hermeneuten.

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Schicksal ist nicht alles. Die Freuden des Geistes stehen über dem Schicksal.

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Unverzeihlich (im Lande der Schwätzer): die Entscheidung für den wirklichen Leser.

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Ich bin kein Prediger.

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