Das ›kollektive‹ Gedächtnis des armen Maurice Halbwachs … ich bezweifle, dass viele Yagiriten, geschweige denn Yagier, sich darunter etwas vorstellen können. Dabei ist es die einzige Form des Gedächtnisses, die ich ihnen lasse. Die Stimme an meinem Ohr – ich muss auf sie zurückkommen, sie gehört zu einem Gelehrten alt-neuer Schule, einer Janusfigur, die am Eingang zum Yagir seit seiner Gründung Wache schiebt –, die Stimme an meinem Ohr hätte auch eine simple Volksweisheit bemühen können: Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Sie hätte, sage ich, denn das würde sie niemals tun, weil es ihr kleines Geheimnis lüften würde, das da lautet: Was wir Geschichte nennen, ist nackte Moralität. Die Moral des Yagir ist verpackt in Geschichte, die Geschichtsmeister haben sie in der Geschichte versteckt, wohlgemerkt in einer, von der Spötter behaupten, sie sei immer dieselbe, sie werde nur verschieden interpretiert. Was so nicht wahr ist: Sie wird stets auf die gleiche Weise interpretiert, nur zu unterschiedlichen Zwecken. Sinngemäß müsste die elfte Feuerbachthese im Yagir lauten: Die Historiker haben die Geschichte nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie einheitlich zu verwenden. In dieser Form könnte man sie als Sockel betrachten, auf dem alle weitere Überzeugung wächst und gedeiht, wobei niemand dem Sockel Beachtung schenkt, so selbstverständlich steht er im Raum. Eifrig pflichtet mir die Stimme an meinem Ohr bei, wann immer ich Sottisen wie diese in das Gerät spreche, das aus uns Gesprächspartner macht, doch gleich fällt sie wieder in ihren Jargon zurück, in dem sich so wunderbar schweifen lässt, jedenfalls dann, wenn man als Jäger geboren ist und die Schrotflinte immer bei sich trägt. Es ist gut, so einen Jäger als Freund an seiner Seite zu wissen, es gibt ein gewisses Gefühl der Sicherheit, das zwar auf Täuschung beruht, aber worauf sonst sollte es beruhen? Im Yagir jedenfalls – langsam ermüdet diese Form der Rede – beruht alle Sicherheit auf dem Gefühl der Sicherheit, das sich aus der Überlegenheit über die Vergangenheit speist. Soviel sagt mir mein Gefühl. Na ihr Kämpfer! Erkennt ihr den Herrn?