Wenn das Private nur die Illustration des Politischen ist, dann ist das Politische die Tyrannei des Privaten. In einem solchen Land geben die Machthaber vor, wie der Einzelne zu leben hat – Stückchen für Stückchen, Kleinkram für Kleinkram, ›Vernünftiges‹ für ›Vernünftiges‹, so dass die Aussicht auf künftige Einschnürungen jedes Mal den Schmerz der Gegenwart überwiegt. Justus’ Feigheit, über deren berufliche Auswirkungen ich mich bereits ausließ, ist die Kehrseite dieser Aussicht. Im Yagir, um ein Beispiel zu geben, wurde das Rauchen untersagt, nicht vollständig, vorläufig jedenfalls. Vieles, wenn nicht alles im Yagir ist vorläufig, es wartet auf weitergehende Regelungen, es trägt den Makel des So-ist-es-jetzt-gleich-wird-es-anders-sein mitten im Gesicht. Es ist jetzt streng verboten in Innenräumen zu rauchen, es sei denn, sie wurden als Raucherzonen markiert. Natürlich sind solche Zonen, obzwar zugelassen, den Behörden ein Dorn im Auge. Irgendwann benötigte eine amtliche Erlaubnis, wer eine einrichten wollte, irgendwann wurde auch diese Möglichkeit gestrichen. Wie steht es um leere Innenräume? Wie steht es um Fahrten im Pkw, ganz ohne Begleitung? Wie steht es um den Aufenthalt in Außenanlagen? Sind nicht auch sie irgendwie ›innen‹? Die amtliche Definitis geht um, seit diese klitzekleine Regel in Kraft gesetzt wurde, am Ende entscheiden Gerichte. Justus, Kettenraucher aus Leidenschaft, empfindet begreiflicherweise geringe Lust, die sich auftürmenden Fragen gerichtlich klären zu lassen, er zieht, wie es so schön heißt, den Schwanz ein und geht jedem möglichen Konflikt aus dem Weg. Wer raucht schon im Garten, unter dem strengen Blick der Nachbarn: Ah, der Süchtige? Trotz empfindet der Süchtige, auch ein bisschen Lust spielt beiher, hier und heute, an diesem sonnigen Vormittag … unter seinen Bäumen zu sitzen und das zu tun, was er nicht lassen kann. Ganz recht, er kann es nun einmal nicht lassen. Er, nicht sie empfindet die Provokation und ist fast bestürzt, als die Nachbarin, eine Mittvierzigerin, mit der er sich eigentlich gut versteht, fluchtartig die Veranda verlässt. Sollte sie Allergikerin sein? Hastig drückt er die Zigarette aus, zu spät, schon meldet sich Schuldgefühl, zugleich rühren sich Zweifel: War das Hysterie? Oder die schamlos ausgenützte Gelegenheit ihn abzustrafen, wofür auch immer? Es ist nie schlecht, den Nachbarn prophylaktisch ins Unrecht zu setzen. Hat sie endlich den immer gesuchten, nie gefundenen Grund bekommen, seinen Anblick ostentativ zu meiden? Meiden/melden: wo liegt der Unterschied? In diesem Augenblick, der zum Verweilen hätte einladen können, scheint er ihm nicht sehr bedeutend zu sein, fast schon vernachlässigbar. Er hat sie im häuslichen Leben verletzt, beeinträchtigt, zum Rückzug gezwungen: Das sieht nicht gut aus. Nein, das sieht nicht gut aus. Vorbei die Zeiten, in denen jeder sein kleines Laster im Knopfloch trug … mit einem Augenzwinkern, das nach Aufmerksamkeit fischte: Seht alle her, das gönne ich mir. Ein lasterhafter Mensch – so steht er heute vor seinen Mitmenschen. Und wenn er auch darauf pfeift, es behagt ihm nicht, ausgepfiffen zu werden. Außerdem ist es gefährlich.

 

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