Das Heraushängenlassen der Nase, unterstreicht der Obervirologe der Nation in seiner wöchentlichen Ansprache, ist natürlich gefährlich. Wie immer er das gemeint haben mag, in der Sache hat er natürlich recht. Das Heraushängenlassen der Nase ist der älteste Kulturfrevel überhaupt. Kultur geht, wie alle wissen, nach innen. Ihr eigentliches Gebiet sind die inneren Organe. Die prominenten Wahrsagerituale, sofern sie nicht aufs Ganze gehen, laufen auf die Zelebration eines inneren Organs hinaus: Herz, Milz, Leber sind dabei auf Grund ihrer Handlichkeit natürlich besonders begehrt. Prophetische Rede fasst sie in ein einziges unsichtbares Organ zusammen – die innere Stimme, die dem Wahrsager vorspricht, was er selbst nur laut zu verkünden braucht. Die Nase hingegen, dieses Wie-herein-so-heraus, ist und bleibt ein Ärgernis. Weit mehr als Augen und Ohren verbindet sie uns mit der Welt: Wer die Nase im Wind hat, der kann nicht fehlen. Oder er kann, sofern er fehlt, die Richtung ändern – nach Möglichkeit rechtzeitig. Denn wo Gefahr ist, wächst die Witterung auch. Manchem wächst sie ins Unermessliche. Solche Menschen werden Politiker oder Journalisten, seltener Virologen. Aber es gibt auch einige unter ihnen. Der Obervirologe hingegen ist schon kraft Amtes so etwas wie ein Prophet: kein Wunder also, dass er, gestützt auf die neuesten Forschungen, der Nase eine Nase drehen und sie möglichst auf Dauer unter den Tüchern der Unschuld verschwinden lassen möchte. Nein, die Nase ist nicht nur die klassische docking-station für Schadstoffe aller Art, vom Ruß bis zum Virus, sie ist auch ein, wenn nicht das Charakterzeichen des Menschen. Darüber hinaus eignet ihr bei gewissen Menschen ein Reiz, dem sich nur wenige Unholde des Menschengeschlechts entziehen können. Wer also Fehlsteuerung bei der Anbahnung von Beziehungen gleichsam an der Wurzel zu unterbinden wünscht, der kommt an der Nase nicht vorbei. Vielmehr: Er kommt am Kampf gegen die frei im Wind hängende Nase nicht vorbei. Nur Privilegierten soll es, verstehen wir den Obervirologen – und die Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags – richtig, künftig noch gestattet sein, das Prachtstück zu präsentieren, wie die Natur es schuf – ein klassischer Fall von disruptiver Ignoranz, der zeigt, dass, wer das Sagen hat, auch über das Recht gebietet, allem voran das Recht zu zeigen, was man hat. Das war bei den hochgestellten Mätressen der Fürsten seligen Angedenkens nicht anders. Oder doch? Diese Damen wussten um die Doppelnatur ihrer gepuderten Näschen und bedienten sich der Witterung für das Gute und Einkömmliche, wie man liest, ohne Bedenken. Aber vielleicht verbirgt sich hier auch eine tiefe Gemeinsamkeit und das Volk muss sie nur finden.

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