Natürlich ließe sich das alles bei einem Glas Roten ausdiskutieren. Es erklärt auch nicht die Heftigkeit der eigenen Abwehr angesichts des unpublizierten Machwerks. Sicher spielt die Tatsache, dass es sich nicht auf dem Markt befindet, also nach gängiger Auffassung gar nicht existiert, dabei eine gewisse Rolle, genauso wie der Satz Schuster bleib bei deinem Leisten gegen den Verfasser zeugt. Aber gerade das könnte genauso gut die Neugier stimulieren, breiter gesprochen, die Entdeckerlust des stets nach unverbrauchten Genüssen Ausschau haltenden Lesers. Genau genommen findet sich ein Fitzelchen davon auch in Dons Gemüt. Aber es wird überschattet vom Tabu, ja sicher, vom Tabu, das sich auf die Seiten legt, sobald die Lektüre beginnt. Der Blick beginnt zu flackern, die blätternde Hand wird unstet, die Gedanken wandern ins Weite und bleiben im Irgendwo stehen. Einmal hat er den Versuch unternommen, die Schranke zu überwinden, indem er einer intimen Bekannten aus dem Meinungsgewerbe Einblick in die Broschüre gewährte, und sich damit, nach kurzem Blättern, den Ausruf Das geht gar nicht! eingefangen.

Was geht gar nicht?

Alles. Vergiss es!

›Vergiss es!‹ Seit Dons Studentenzeit die Formel für alles, was für das Fortkommen hinderlich werden konnte, dann mehr und mehr auch eine Gefahr für das bereits Erreichte (zwei Ängste, die Hand in Hand zu gehen pflegen) – und das war’s: Homomaris, weit davon entfernt, einen ›kritischen Diskurs‹ zu führen, zu dem ihm vermutlich die begrifflichen Mittel fehlten, fuhr einen Frontalangriff auf die bestehende Weltordnung, mit all den komisch-absurden Zügen, die Sektenliteratur eignen, und, Spaß beiseite, er verband ihn mit dunklen Andeutungen einer möglichen Remedur, die nur den sozialen Tod dessen zur Folge haben konnten, der sie aussprach. Der soziale Tod … der Schwarze Tod, die Pest seines Jahrhunderts, schwebte als dunkle Wolke über diesen Seiten und der Don fühlte mit aufsteigendem Entsetzen, dass auch er, der widerstrebend Lesende, bereits kontaminiert war. Denn da stand nichts, was nicht er selbst bereits im Geheimen gedacht hätte. Es war nicht ehrenrührig, es war sogar, auf eine wiedertäuferische Weise, christlich gedacht, es besaß gewissermaßen keinen Inhalt, jedenfalls keinen handgreiflich sträflichen, es entwertete nur … was? ›Kehr um!« Hier stand es, das bekannte Du musst die Laufrichtung ändern! und deutete nicht etwa auf Freud und Leid der Privatheit, sondern auf die große graue Katze, die nur darauf wartete, die Maus mit Haut und Haar zu verspeisen, bloß weil sie einer Verzweiflung Ausdruck verleihen wollte, über die zu sprechen, gelinde gesagt, nicht ratsam war.