Wo war ich stehengeblieben? Ach, der Groll. Der Groll des Hakim al-Rashid, der sich einmal mehr darauf vorbereitet, vor die Schranken des Gerichts zu treten – so wie er die Dinge sieht: das Gericht in die Schranken zu fordern –, Hakims Groll gehört zum Urgestein des Yagir und verdient daher eine Extrabehandlung ähnlich der, die er seitens der Staatsorgane seit Jahren erfährt. Er hat ihn zum armen Hakir werden lassen, dem Einwanderersohn mit dem Mühlstein um den Hals, dem Mann, der seine Fremde fand, als er fest daran glaubte, angekommen zu sein. Mein Glaube hat mich in den Ruin getrieben –: so könnte er mit Fug und Recht reden, nähme er das Recht in Anspruch, für sich und nur für sich zu sprechen. Nichts liegt ihm ferner. Daher wird er, sollte das Gericht ihm Gelegenheit dazu geben, wieder einmal den Satz formulieren, der ihm zum persönlichen Verhängnis gereichte: Ein Irrglaube treibt dieses Land in den Ruin. Um welchen Irrglauben es sich dabei handelt, das hat er in einer Fülle von dennoch-Pamphleten, Interjektionen und gegen die Staatsmacht gerichteten Invektiven herausgeschleudert – ›dennoch‹deshalb, weil jedes Mal, wenn sich endgültig der Ring der Isolation um ihn zu schließen droht, ein verschwiegener Gönner bereitsteht, der ihm die helfende Hand reicht, gelegentlich sogar zwei, so dass einen Moment lang in ihm die Illusion entsteht, er könne dem Sumpf noch einmal entrinnen … dem Sumpf, der doch nichts anderes ist als diese speziell auf seine Niederhaltung zielende Form, welche die öffentlichen Angelegenheiten angenommen haben. Hakirs Groll speist sich aus vielen Quellen. Es geht mit ihm wie mit den giftigen Bleikügelchen, die sich nach und nach zu einer Kugel verbinden, rund und glänzend, von der eine magische Anziehung auf den spielenden Knaben ausgeht, der zu sein er niemals aufgehört hat. Niemals – niemals, das hat er sich geschworen, wird sein Protest erlahmen, nie wird er zu Kreuze kriechen, schon um des Missbrauchs in Permanenz willen, der mit diesem objet trouvé der Zivilgesellschaft getrieben wird. Der Glaube an die Zivilgesellschaft ist die erste Glaubensverirrung auf seinem Spickzettel, der Glaube eines Phantoms an sich selbst, wie er ihn nennt, der zum Götzendienst wurde.

Was soll das sein? Ich bin auch zivil. Sind wir beide nicht zivil? Wer sind diese Menschen, die sich und ihresgleichen zur Zivilgesellschaft erklären? Sind sie etwas Besseres? Oh ja, sie glauben fest daran, dass sie etwas Besseres sind. Sie sind wahnsinnig … ich meine, irgendein Wahn treibt diese Menschen um, den Zusatz ›sinnig‹ können wir gleich streichen, sonst dreht man mir irgendwann wieder einen Strick daraus. Da draußen laufen Leute herum, die halten ›sinnig‹ für einen Ausdruck gruppenbezogener Feindschaft, echt jetzt? Ich meine, in welcher Welt des Un-Sinns leben wir eigentlich? Falls wir leben, was ich einmal dahingestellt sein lasse. Das mit dem Leben ist eine seltsame Sache. Ich habe viel gelebt, früher, in meinem anderen Leben, jetzt lebe ich kaum noch. Man gibt mir wenig Gelegenheit, ich bin auch nicht mehr so interessiert. Dass Sie jetzt da sind, ist schon ein Wunder, die gibt es auch, auch und vorbei. Nehmen Sie ruhig, zum Essen reicht’s noch.

 

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