Wo war ich stehengeblieben? Der Groll, ganz recht. Auch Justus, der Mann der entgangenen Karriere, reibt sich an der Gegenwart, aber er tut es um der Vergangenheit willen. Auch er entstammt dem Juste Milieu, auch er war Reformjünger, wie man diese Menschen kurzfristig nannte, bevor sie jünger und autoritärer wurden, auch er hat seine Visitenkarten an den Türen des Fortschritts abgegeben, erfüllt vom Verlangen, einen einträglichen Posten und ein wenig Ruhm zu ergattern, auch er … wurde älter und älter und … nichts geschah, jedenfalls nichts von Belang. Bloß die Welt verwandelte sich. Als sie mit beweglichen Bildern geflutet wurde und der bewegte Mensch sich über das sorgfältig austarierte Konterfei des Schreibtischgelehrten erhob, taxierte Justus ein letztes Mal seine Chancen, sich ins Bild zu setzen – vielmehr: setzen zu lassen – und verzichtete. Womit es ihm nicht anders erging als jenen verflossenen Stummfilmgrößen, denen eine unzureichende Stimme einst den Zugang zum Tonfilmgeschäft verschloss. Justus blieb zurück. Und da aus allem ein Business herausspringen kann, war das seinige damit gefunden: Guru der Zurückbleibenden. Wahrlich kein Meister aller Klassen (auch dieses Gewerbe hat seine Zampanos). Aber in Kreisen, in denen noch das Florett zählt, ist er eine gefragte Instanz. Man liest ihn, man vergisst ihn und man erinnert sich doch. Den Mann Justus aber ernähret sein Groll. Anders ausgedrückt: sein Geschäft ist das Nach-wie-vor. Zweimal im Jahr besteigt er das Flugzeug nach Irgendwo und kehrt, beladen mit völkerkundlichem Neuwissen, an seinen Schreibtisch zurück. Dass diese dämliche Anzeige … ihn gerade jetzt behelligt, beweist im Grunde nur, wie viel die Gesellschaft ihm schuldet. Ironie, Eleganz, Sinn für die Zwischentöne der politischen Sprache und diese gewisse Schärfe, die sich weit tiefer einbrennt als gewöhnliche Pöbelei, sie sind selten geworden, so selten, dass selbst Gerichte sie nicht mehr verstehen. Auch nach ihm, wie manch anderem, wird kommen nichts Nennenswertes. Genauer gesagt: Es ist nichts Nennenswertes, das ihm da entgegentritt. Er muss es nur davon abhalten, Macht über sein persönliches Dasein zu gewinnen. Das Dasein, paradox wie es ist, verlangt genau dies von ihm: die tiefe Ohnmacht der Macht aufzudecken, ohne ihr etwas von ihrer perfiden Größe zu nehmen: dass sie über Menschen und Dinge verfügt und beide Bereiche so miteinander vermengt, dass bloß Dingmenschen übrigbleiben.

 

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